Die neue Königin der Rechten
Giorgia Meloni will Italiens erste Ministerpräsidentin werden.
ROM Vor vier Jahren waren die „Brüder Italiens“noch eine Kleinpartei am rechten Rand des politischen Spektrums. Auf gerade einmal vier Prozent der Stimmen belief sich die Zustimmung bei den Parlamentswahlen 2018. Inzwischen ist die aus dem Neofaschismus hervorgegangene Gruppierung um Giorgia Meloni die stärkste Partei Italiens. 22 Prozent der Wähler geben an, bei den kommenden Wahlen im Frühjahr 2023 bei den „Fratelli d‘Italia“(FdI) ihr Kreuzchen machen zu wollen. Keine italienische Partei, auch nicht die um die 20 Prozent rangierenden Sozialdemokraten, hat derzeit mehr Konsens. Das liegt vor allem an Parteichefin Meloni.
Nach den Kommunalwahlen am vergangenen Wochenende in knapp 1000 Städten und Gemeinden trat die 45 Jahre alte Römerin entsprechend selbstbewusst auf. Nicht nur setzte sich in den größeren Städten die Mitte-rechtsKoalition durch. Der Meloni-Partei gelang, was Beobachter nun als eindeutigen Stimmungstrend bewerten: FdI überholte die Lega in vielen norditalienischen Gemeinden und besiegte die Konkurrenz am rechten Rand in deren Stammgebiet. In Palermo und Genua gewannen die Kandidaten der Rechten, FdI bekam jeweils doppelt so viele Stimmen wie die Lega um Parteichef Matteo Salvini. In der sizilianischen Hauptstadt wurde der Sieg jedoch von Mafia-Verbindungen einiger Politiker überschattet. Auch in L‘Aquila, aber vor allem in norditalienischen Kommunen wie Parma, Alessandria, Piacenza, Belluno, Padua und Como hängte FdI die Lega ab. „Meloni ist die neue Herrin der Rechten“, titelte „La Repubblica“.
Der Erfolg vom Wochenende könnte Folgen für die italienische Politik haben. Denn alle Bemühungen der Parteien münden in den Blick auf die Parlamentswahlen im kommenden Mai. Ministerpräsident Mario Draghi, der von einer in einer Notlage gebildeten Vielparteienkoalition unterstützt wird, der nur die „Brüder Italiens“nicht angehören, tritt nicht an. Die Mitte-rechts-Koalition um Lega, Silvio Berlusconis Forza Italia und FdI hat gute Chancen, zu gewinnen. Das liegt auch an der Schwäche der Konkurrenz, insbesondere der Fünf-Sterne-Bewegung, die in den Umfragen bei 13 Prozent rangiert. Den Posten des Ministerpräsidenten bekommt wohl, wessen Partei am meisten Stimmen erzielt. Wie es aussieht, hat Giorgia Meloni die besten Aussichten. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Regierung.
Strategisch hat sich für Meloni und FdI die Entscheidung ausgezahlt, als einzige Partei in die Opposition gegen die Regierung Draghi zu gehen. Parteien wie die Lega oder die Fünf-Sterne-Bewegung reiben sich in der großen Koalition auf. Meloni kann ihren umstrittenen Ideen freien Lauf lassen, kann aber für sich behaupten, die einzige Frau an der Spitze einer der großen Parteien zu sein. „Wir sind gegen Frauenquoten, aber doch die Einzigen, die den Mut haben, Frauen in Spitzenpositionen zu bringen“, sagte sie vor Tagen auf einer Wahlkampfveranstaltung. Dort bekräftigte sie auch ihre Ablehnung von Immigration insbesondere aus Afrika oder der Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare.