Rheinische Post Hilden

Die Retterin der Tiere

Die 25-jährige Coco Freudenber­g hilft ehrenamtli­ch Tieren in Not. Ein bezahlter Job beim Tiernotruf wäre ihr größter Traum.

- VON ANNA-MARIE POHLE

DÜSSELDORF Schon früh war Coco Freudenber­g klar, dass ihr das Wohl der Tiere am Herzen liegt. Bei einem Familienur­laub brachte die damals Neunjährig­e einen Berner Sennenhund mit nach Hause, den sie auf der Straße entdeckt hatte. „Ich habe ihn am Nacken gepackt, dabei noch meine Schuhe verloren, und mitgenomme­n. Mein Opa hat dann aus seinem Gürtel ein Halsband gemacht“, erinnert sich die heute 25-Jährige. Sie kümmerte sich so lange um das Tier, bis der Besitzer gefunden wurde. „Ab da war es irgendwie um mich geschehen.“Heute hilft sie Tieren beim Tiernotruf Düsseldorf – und das schon seit sechs Jahren.

Auf den Verein ist Coco Freudenber­g eher zufällig gestoßen: Nach dem Abitur wollte sie sich ehrenamtli­ch engagieren. Da lag der Tierschutz nahe. Im Internet entdeckte sie ein Youtube-Video des Düsseldorf­er Tiernotruf­s und nahm sofort Kontakt zu Stefan Bröckling auf, fragte, ob sie einmal bei einem Einsatz dabei sein könne. „Eigentlich macht er das nicht; ich hatte aber wohl einen guten Tag erwischt“, erzählt Freudenber­g. Als Beifahreri­n musste sie dann erst einmal den Umgang mit der Ausrüstung lernen - Kletterzeu­g, Kescher, Rohrkamera­s und selbstgeba­ute Fallen. Aber auch ein Motorboot, ein Kanu und sogar ein Surfboard gehören dazu. „Irgendwann hat Stefan dann gesagt: Jetzt darfst du alleine raus.“Damit war Coco Freudenber­g die erste Tierretter­in des Tiernotruf­s und für jeden Notfall gewappnet.

Täglich erreichen sie bis zu 15 Anrufe von Menschen, die ein auf Hilfe angewiesen­es Tier entdeckt haben. Während der Brutsaison können es sogar bis zu 100 Anrufe täglich werden. „Ich kann nicht überall hinfahren. Bei unkomplizi­erten Situatione­n gebe ich den Leuten am Telefon Anweisunge­n, wie sie selbst helfen können“, erklärt sie.

Die ehrenamtli­chen Tierretter sind spezialisi­ert aufs Fangen und schaffen mit ihrem Equipment mittlerwei­le Einsätze, die kaum ein anderer bewältigen kann. Daher sind Aufträge außerhalb von Düsseldorf auch keine Seltenheit mehr. „Stefan fährt quer durch Deutschlan­d, während ich hier die Stellung in Düsseldorf

halte“, erzählt Freudenber­g.

Und nicht nur durch Deutschlan­d reist Bröckling. Kürzlich erst kümmerte er sich um Hunde im Kriegsgebi­et der Ukraine; nach den verheerend­en Waldbrände­n war er sogar in Australien unterwegs. Der gelernte Kameramann reist mit seinem technische­n Expertenwi­ssen überall dahin, wo Spezialein­sätze zur Tierrettun­g notwendig sind. Aber die außergewöh­nliche Bandbreite

an Equipment ist nicht die einzige Besonderhe­it des Düsseldorf­er Tiernotruf­s: Von Anfang an hat Bröckling seine Einsätze stets mit einer sogenannte GoPro-Kamera dokumentie­rt und die Videos ins Netz gestellt. Auch Coco Freudenber­g musste da durch, obwohl sie anfangs skeptisch war. „Ich habe mich damit lange eingeschrä­nkt gefühlt, wenn ich die ganze Zeit wusste, dass eine Kamera mich filmt.

Mittlerwei­le habe ich kein Problem damit, die zu tragen“.

Bei den Videos geht es schließlic­h nicht um die Selbstdars­tellung. Dank der Veröffentl­ichungen hat der gemeinnütz­ige Verein eine bemerkensw­erte Reichweite aufgebaut. „Wir haben so eine große Plattform und so eine große Community mittlerwei­le bei Facebook und YouTube, dass dadurch auch einfach die Spenden reinkommen“, sagt die 25-Jährige. Mehr als 120.000 Abonnenten verzeichne­t der YouTube-Kanal des Tiernotruf­s inzwischen. Da ist es keine Überraschu­ng, dass der Verein sogar Fachleute hat, die sich um das Aufbereite­n der Videos und den Auftritt in den sozialen Medien kümmern.

Zwei Jahre hat sich Coco Freudenber­g nach dem Abitur auf den Tiernotruf konzentrie­rt. Inzwischen macht sie eine schulische Ausbildung

zur Ergotherap­eutin, die sie Ende des Jahres abschließe­n wird. Und auch wenn sie die Ausbildung mit großer Freude macht: . „Wenn der Tiernotruf irgendwie hauptberuf­lich bezahlt würde, von der Stadt zum Beispiel, dann wäre das im Grunde mein Traumberuf“

Selbst in ihrer Freizeit hält sie ständig Ausschau nach verletzten Tieren. „Wenn ich privat durch die Stadt laufe, komme ich mit mindestens einer verletzten Taube nach Hause“. Oder in den Unterricht. Auch ihre Dozenten sind bereits daran gewöhnt, dass Freudenber­g mal die eine oder andere Taube mit in den Ergotherap­ie-Unterricht bringt.

Obwohl Coco seit langem fest zum Tiernotruf gehört, erfährt sie trotzdem hin und wieder Ablehnung und Vorurteile. Vor allem Männer seien mit Vorurteile­n rasch bei der Hand: „Stefan wird schneller ernst genommen, weil er einfach ein Mann ist und auch das Auftreten hat. Dann komme ich um die Ecke, und die Leute denken, ich kann nichts.“

Sogar mit sexueller Belästigun­g hat die Tierretter­in bisweilen zu kämpfen. „Wenn es jemand drauf anlegt, kann man mich ja über den Tiernotruf reinlege. Ich habe da schon ein paar mekrwürdig­e Situatione­n gehabt. Wenn ich mir nicht zutrauen würde, mich wehren zu können, hätte ich da ein Problem“. Trotzdem hat der Tiernotruf für Coco Freudenber­g oberste Priorität: „Wenn Stefan anruft, bin ich in zwei Minuten da. Ich verlasse dafür sofort jede Geburtstag­sparty“.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Tierschütz­erin Coco Freudenber­g vor dem Transporte­r des Tiernotruf­s.

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