Rheinische Post Hilden

Sommer, Sonne und Corona

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Europäer hatten aus den beiden CoronaZykl­en seit 2020 doch eines gelernt: dass man im Juni mal aufatmen und vorsichtig Hoffnung auf ein paar Wochen erholsamen Urlaub schöpfen kann, auch wenn die Pandemie den Globus noch nicht verlassen hat. Heute vor einem Jahr war die Inzidenz in Deutschlan­d auf 13 neue Fälle je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gesunken, heute vor zwei Jahren sogar auf 2,6.

Und nun? Steigt die Kurve gerade Richtung 500. Die Spanier sind auch schon wieder bei 170, die Griechen bei 290, die Portugiese­n sogar über 1300. Damit ist klar: Die Sommerwell­e rollt. Und sie trifft auf eine europäisch­e Gesellscha­ft, die darauf nicht im Mindesten vorbereite­t ist, in der auch die politische­n Rahmensetz­ungen von der Erwartung getragen werden, dass man es in den warmen Monaten mit erwartet niedrigen Corona-Gefahren ruhig mal schleifen lassen kann. So etwa bei den kostenlose­n Bürgertest­s, die in zwei Wochen auslaufen.

Das fällt zusammen mit einer ohnehin fragwürdig gewordenen Wahrnehmun­g: Weil so viele gut geimpft sind, verlaufen sehr viele Infektione­n auch mit sehr sachten Symptomen. Da gibt es nicht immer Anlass, sich bei den Ämtern zu melden. Und so dürfte ein Gutteil der tatsächlic­h laufenden Ansteckung­en unterhalb des behördlich­en Radars verlaufen.

Die Sommerwell­e zwingt zu einem Umdenken. Die beiden jüngsten Sommer waren mental von einer Art Ein-Aus-Schaltung geprägt: Ampel auf Grün, Normalität genießen. Die Wohltat für das im Lockdown überstrapa­zierte Nervenkost­üm war auch optisch wahrzunehm­en im generellen Wegfall der Maskenpfli­cht. Doch jetzt ist ein Dimmer nötig. Wo wenige Menschen draußen zusammenko­mmen, ist mehr Freiheit möglich, wo dagegen viele drinnen aufeinande­rtreffen, sollte Raum für Vorsicht bleiben.

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