Sommer, Sonne und Corona
Die Europäer hatten aus den beiden CoronaZyklen seit 2020 doch eines gelernt: dass man im Juni mal aufatmen und vorsichtig Hoffnung auf ein paar Wochen erholsamen Urlaub schöpfen kann, auch wenn die Pandemie den Globus noch nicht verlassen hat. Heute vor einem Jahr war die Inzidenz in Deutschland auf 13 neue Fälle je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gesunken, heute vor zwei Jahren sogar auf 2,6.
Und nun? Steigt die Kurve gerade Richtung 500. Die Spanier sind auch schon wieder bei 170, die Griechen bei 290, die Portugiesen sogar über 1300. Damit ist klar: Die Sommerwelle rollt. Und sie trifft auf eine europäische Gesellschaft, die darauf nicht im Mindesten vorbereitet ist, in der auch die politischen Rahmensetzungen von der Erwartung getragen werden, dass man es in den warmen Monaten mit erwartet niedrigen Corona-Gefahren ruhig mal schleifen lassen kann. So etwa bei den kostenlosen Bürgertests, die in zwei Wochen auslaufen.
Das fällt zusammen mit einer ohnehin fragwürdig gewordenen Wahrnehmung: Weil so viele gut geimpft sind, verlaufen sehr viele Infektionen auch mit sehr sachten Symptomen. Da gibt es nicht immer Anlass, sich bei den Ämtern zu melden. Und so dürfte ein Gutteil der tatsächlich laufenden Ansteckungen unterhalb des behördlichen Radars verlaufen.
Die Sommerwelle zwingt zu einem Umdenken. Die beiden jüngsten Sommer waren mental von einer Art Ein-Aus-Schaltung geprägt: Ampel auf Grün, Normalität genießen. Die Wohltat für das im Lockdown überstrapazierte Nervenkostüm war auch optisch wahrzunehmen im generellen Wegfall der Maskenpflicht. Doch jetzt ist ein Dimmer nötig. Wo wenige Menschen draußen zusammenkommen, ist mehr Freiheit möglich, wo dagegen viele drinnen aufeinandertreffen, sollte Raum für Vorsicht bleiben.