Rheinische Post Hilden

Merkels Formfehler

- VON DOROTHEE KRINGS

Politiker müssen glasklar trennen, ob sie sich in der Öffentlich­keit als Parteimitg­lieder äußern oder in der Rolle und damit auch mit der Autorität eines Amtes, in das sie gewählt wurden. Dieses wichtige demokratis­che Prinzip hat das Bundesverf­assungsger­icht mit seinem aktuellen Urteil zu einer Äußerung Angela Merkels über die AfD starkgemac­ht. Die damalige Bundeskanz­lerin hatte sich zur Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU, FDP und AfD zum Ministerpr­äsidenten in Thüringen geäußert und den Vorgang „unverzeihl­ich“genannt. Ihr Satz, dass sie sich kurz zu etwas Innenpolit­ischem äußern wolle, hat einer knappen Mehrheit der Richter nicht genügt, um den Unterschie­d zwischen Amt und Parteipoli­tik deutlich zu machen. Verfassung­srechtlich hat Merkel damit das Recht aller Parteien auf Chancengle­ichheit verletzt. Sie hat mit dem Ansehensbo­nus ihres Amtes einen politische­n Gegner abqualifiz­iert. Das Gericht hat der AfD also aus nachvollzi­ehbaren Gründen recht gegeben.

Inhalte hat das Gericht damit aber nicht beurteilt. Merkel hätte die AfD nicht als Kanzlerin abqualifiz­ieren dürfen, aber natürlich musste sie als wichtiges Mitglied der CDU Stellung beziehen. Die Wahl Kemmerichs nannte sie einen Vorgang, „der mit einer Grundüberz­eugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mithilfe der AfD gewonnen werden sollen“; sie sprach von einem „schlechten Tag für die Demokratie“. Das war die überfällig­e Abgrenzung einer CDU-Spitzenpol­itikerin gegen rechts, die eigentlich Aufgabe der damaligen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r gewesen wäre. Doch der fehlte es schon an Autorität. Merkels Worte hätten sicher denselben Widerhall gehabt, wenn sie ihre Aussagen deutlicher vom Amt getrennt hätte. Es war also ein Formfehler. Jedoch einer, der viel über die Verführung­en der Macht verrät.

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