Evakuierung erneut gescheitert
Mit Hilfe eines Fluchtkorridors sollten Zivilisten das Chemiewerk Azot in der Stadt Sjewjerodonezk verlassen können. Doch die Menschen sitzen weiter fest.
SJEWJERODONEZK/MOSKAU (dpa/ rtr) Die Kämpfe im Osten der Ukraine nehmen an Härte zu. Derzeit konzentrieren sich die Angriffe Russlands vor allem auf die Stadt Sjewjerodonezk. Nach Einschätzung von Beobachtern sterben täglich Hunderte Soldaten.
Im Chemiewerk Azot in Sjewjerodonzezk harren noch immer Hunderte Zivilisten aus. Mithilfe eines Fluchtkorridors sollten sie am Mittwoch die Anlage verlassen können, doch die von Moskau geplante Akti on scheiterte nach Angaben prorus sischer Separatisten. Weil die ukrai nische Seite vom Werksgelände mit Granatwerfern und Panzern schieße, könnten sich dort keine Menschen in Sicherheit bringen, teilte der Separatistenvertreter Rodion Miroschnik mit.
In der Industrieanlage werden noch mehr als 500 Zivilisten vermutet; die Separatisten gehen davon aus, dass es bis zu 1200 Menschen sein könnten. Sie hätten über den Korridor in jenes Gebiet fliehen sollen, das von prorussischen Kräften kontrolliert wird. Miroschnik teilte auch mit, dass sich in der Azot-Anlage rund 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben könnten. Bestätigt ist das von ukrainischer Seite nicht. Eine Aufforderung Moskaus zur Kapitulation hatte die ukrainische Seite abgelehnt.
Angriffe gab es auch in anderen Regionen der Ukraine. Das russische Militär hat nach eigenen Angaben ein von Nato-Staaten bestücktes Munitionsdepot vernichtet. Dort seien im Gebiet Lwiw mit Raketen unter anderem Geschosse für Haubitzen vom Typ M777 zerstört worden, teilte das Verteidigungsministerium am Mittwoch mit. In den ostukrainischen Gebieten Donezk und Dnipropetrowsk sei an Bahnanlagen eine große Zahl an Waffen und Militärtechnik der USA und europäischer Länder, die an die ukrainischen Streitkräfte übergeben worden seien, vernichtet worden. Bei Luftschlägen, unter anderem auch im Gebiet Charkiw, sei Militärtechnik – darunter Panzer, Mehrfachraketenwerfer und Haubitzen vom Typ M777 – zerstört worden, hieß es. Auch insgesamt 300 ukrainische Kämpfer seien bei den Einsätzen getötet worden. Überprüfbar waren die Angaben von unabhängiger Seite nicht.
Im Streit über Getreide-Exporte aus der Ukraine hat unterdessen die Türkei einen Lösungsvorschlag vorgelegt. Es könnten Passagen im Schwarzen Meer eingerichtet werden, ohne dafür alle Minen zu räumen, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu am Mittwoch. Er habe den Plan letzte Woche bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow besprochen. Jetzt seien weitere Gespräche mit Kiew und Moskau seien notwendig. Russland hatte die Ukraine zuvor aufgefordert, alle Seeminen vor den Häfen zu räumen. Ansonsten könne das Getreide nicht exportiert werden. Dies stellt jedoch nach ukrainischen Angaben ein Sicherheitsrisiko dar. In ukrainischen Häfen stecken wegen des Krieges nach Schätzungen etwa 20 Millionen Tonnen Getreide fest.