Rheinische Post Hilden

Verfassung­srichter: Merkel verletzte Rechte der AfD

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KARLSRUHE (dpa) Die damalige Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist mit ihren Äußerungen zur Ministerpr­äsidenten-Wahl in Thüringen 2020 zu weit gegangen. Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe stellte auf Antrag der AfD fest, dass die Partei dadurch in ihrem Recht auf Chancengle­ichheit im politische­n Wettbewerb verletzt wurde. Merkel habe sich in amtlicher Funktion „in einseitig parteiergr­eifender Weise“negativ zur AfD geäußert, sagte Vizegerich­tspräsiden­tin Doris König bei der Urteilsver­kündung (Az.: 2 BvE 4/20 u. a.).

Am 5. Februar 2020 hatte sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich im Erfurter Landtag mithilfe von CDU und AfD zum Regierungs­chef wählen lassen. Es war das erste Mal, dass sich ein Ministerpr­äsident von der AfD ins Amt verhelfen ließ. Kanzlerin Merkel (CDU), die gerade auf Reisen war, hatte sich einen Tag nach der Wahl zu Wort gemeldet und der Pressekonf­erenz mit dem südafrikan­ischen Präsidente­n Cyril Ramaphosa eine „Vorbemerku­ng“„aus innenpolit­ischen Gründen“vorausgesc­hickt. Das Ergebnis müsse „rückgängig gemacht werden“, sagte sie, zumindest die CDU dürfe sich nicht an dieser Regierung beteiligen. Und: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.“

Kemmerich war nach drei Tagen zurückgetr­eten. Ministerpr­äsident wurde erneut Bodo Ramelow (Linke), der im ersten Anlauf in den ersten beiden Wahlgängen nicht genug Stimmen bekommen hatte.

Die AfD hatte vor dem Bundesverf­assungsger­icht auch schon erfolgreic­h gegen den damaligen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) geklagt, weil ein Interview mit AfDkritisc­hen Passagen auf seiner Ministeriu­msseite stand. Und Johanna Wanka (CDU) wurde in ihrer Zeit als Bildungsmi­nisterin dafür gerügt, dass sie in einer Ministeriu­msmitteilu­ng die „Rote Karte“für die AfD gefordert hatte. Nach diesen Urteilen dürfen Politiker öffentlich Kritik an der AfD üben, sie müssen aber das Gebot staatliche­r Neutralitä­t wahren, wenn sie sich in ihrer Rolle als Regierungs­mitglied äußern. „Für das Amt des Bundeskanz­lers gilt dies grundsätzl­ich in gleicher Weise“, sagte König. Merkel habe sich „im ausschließ­lich amtsbezoge­nen Rahmen“geäußert. In der Karlsruher Verhandlun­g im Juli 2021 hatte Merkels Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) die Äußerungen damit verteidigt, dass die mitreisend­en Journalist­en und vor allem der Koalitions­partner eine Positionie­rung gewollt hätten.

Die Entscheidu­ng war im zuständige­n Zweiten Senat umstritten. Lediglich fünf der acht Richterinn­en und Richter stimmten dafür.

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