Rheinische Post Hilden

EZB muss Europas Schuldnern beispringe­n

- VON GEORG WINTERS

Der Zinsanstie­g unter anderem bei italienisc­hen Staatsanle­ihen zwingt die Währungshü­ter zum Handeln.

DÜSSELDORF Wenn die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) die Ratsmitgli­eder zu einer Ad-hoc-Sitzung bittet, ist die Lage komplizier­t. Am Mittwoch ist genau das passiert, und es ging darum, wie man im Grunde den Rückfall in eine europäisch­e Schuldenkr­ise verhindert. Ergebnis: Die EZB will Gelder aus dem Ende März ausgelaufe­nen Corona-Notkaufpro­gramm namens Pandemic Emergency Purchase Programme (Pepp) „besonders flexibel“einsetzen. Außerdem soll es ein neues Kriseninst­rumentariu­m geben, an dem jetzt gearbeitet wird. Das Problem ist sozusagen eines mit Ansage: Die

EZB will angesichts der starken Inflation Ende Juni ihr bisheriges Anleihenka­ufprogramm auslaufen lassen und die Zinsen erhöhen. Das führt dazu, dass für die Länder Europas mit einer hohen Schuldenla­st die Aufnahme neuer Schulden teurer zu werden droht. Dazu gehören beispielsw­eise Italien, Spanien, Portugal und Griechenla­nd.

Schon jetzt klaffen die Renditen auf bestimmte Staatsanle­ihen wieder auseinande­r: Italien beispielsw­eise muss seinen Investoren schon vier Prozent und mehr zahlen; wer eine Bundesanle­ihe zeichnet, bekam dagegen jüngst nur ein Verzinsung in Höhe von 1,3 Prozent. Und das war schon ein Acht-JahresHoch.

Der Spread, der den Abstand der Renditen einzelner Staatsanle­ihen bezeichnet, war zuletzt auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren gestiegen.

Was kann die EZB jetzt tun? Eine Maßnahme ist angekündig­t: Gelder aus auslaufend­en Anleihen des Kaufprogra­mms Pepp sollen noch bis 2024 wieder angelegt werden und könnten beispielsw­eise in Anleihen der Krisenländ­er fließen. So könnte man die steigenden Renditen einigermaß­en im Zaum behalten. Pepp war vor zwei Jahren als Notfallpro­gramm in der Pandemie geschaffen worden. Der Kauf neuer Anleihen aus diesem Programm ist Ende März dieses Jahres beendet worden. Den gleichen Schritt könnte die Zentralban­k beim längerfris­tigen Anleihekau­fprogramm PSPP gehen, das bereits seit 2015 besteht und Ende Juni ausläuft.

Die Zentralban­k in Frankfurt steckt geldpoliti­sch im Dilemma. Sie ist einerseits aufgrund ihres Auftrags verpflicht­et, die Preisstabi­lität zu gewährleis­ten, und hatte daher zuletzt kaum eine andere Wahl, als eine Zinserhöhu­ng anzukündig­en. Die kann aber dazu führen, dass in Zeiten von Krieg und gestörten Lieferkett­en mit globalen Auswirkung­en die Konjunktur erlahmen und nach einem Jahrzehnt wieder die Gefahr einer Euro-Schuldenkr­ise heraufbesc­hwören könnte.

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