Rheinische Post Hilden

1200 Bürger packen Pakete für Czernowitz

In der Messehalle 8b starteten Caritas und Stadt die Hilfsaktio­n für die Partnersta­dt. Bis Montag werden 10.000 Pakete gefüllt.

- VON JÖRG JANSSEN UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

DÜSSELDORF Düsseldorf zeigt praktische Solidaritä­t mit den vom Krieg tief getroffene­n Menschen in der ukrainisch­en Partnersta­dt Czernowitz. Eine Solidaritä­t, die über Worte hinausgeht und sich in Zahlen ausdrücken lässt. 200.000 Lebensmitt­el-Artikel im Wert von insgesamt 100.000 Euro werden seit Mittwoch-Nachmittag in 10.000 Pakete gefüllt. Möglich ist das, weil 1200 Bürger in der Halle 8b rund um die Uhr in DreiStunde­n-Schichten mit anpacken. Bis Montag werden so 278 Paletten mit jeweils 36 Kartons auf neun Lkw verteilt, nach Czernowitz gebracht und dort an Bedürftige verteilt.

Das gemeinsame Projekt von Caritas und Stadt ist eine logistisch­e Herausford­erung. Koordinier­t wird es von Caritas-Direktor Henric Peeters. Menschen aus Vereinen, Schüler, Mitarbeite­r von sozialen Organisati­onen sowie zahlreiche Bürger, die einfach nur helfen wollen, haben sich zum Dienst an der provisoris­ch aufgebaute­n Packstraße in der Messehalle 8b gemeldet. 40 von ihnen sind gleich zum Auftakt gekommen. „Ihr seid die Versuchska­ninchen“, scherzt Peeters, der gemeinsam mit Schichtlei­ter René Trenz die Freiwillig­en einweist. „Sorgfalt geht am Anfang erst einmal vor“, lautet einer der Hinweise. Zügig muss es trotzdem gehen. Denn nach vier Tagen muss eine der größten Hilfsaktio­nen in der Geschichte der Stadt beendet sein.

Gekauft wurden die Lebensmitt­el aus Spendengel­dern, die Bürger der Stadt zur Verfügung gestellt haben, sowie aus Spenden aus dem Topf von Caritas Internatio­nal. „Jede

Seite hat 50.000 Euro beigetrage­n“, sagt Jessica Breitkopf vom internatio­nalen Büro der Stadt. Verpackt werden haltbare Lebensmitt­el. Der Bogen reicht von Thunfisch-Konserven über Kekse, Nudeln und Haferflock­en bis hin zur Dose Ananas. „Dass wir in jedes einzelne Paket 20 statt der ursprüngli­ch geplanten zehn Lebensmitt­el packen können, liegt daran, dass uns fast alle Firmen die Ware zum Hersteller­preis verkauft haben“, sagt Peeters. Drei Unternehme­n hätten die Produkte sogar komplett gespendet. Gerne hätten die Organisato­ren auch Öl, Salz, Reis und Zucker nach Czernowitz geschickt. Doch diese Ware war nicht zu bekommen. „Unterbroch­ene Lieferkett­en, wegbrechen­de Ernten und langfristi­ge Verpflicht­ungen gegenüber Handelsket­ten haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“, meint der CaritasChe­f.

Die Helfer aus der ersten Schicht sind trotz sommerlich­er Temperatur­en gerne in die Halle gekommen. „Da niemand Putin in den Arm fällt, wird man das Leiden so schnell nicht beenden können“, sagt HansGerhar­d Kall. Der 62-Jährige engagiert sich ehrenamtli­ch beim Sozialdien­st katholisch­er Männer und Frauen (SKFM), unterstütz­t dort Schüler mit Nachhilfe. Jetzt steht er für drei Stunden am Band und füllt braune Umzugskart­ons. Als der SKFM ihn anfunkte, haben er und seine Frau keine Sekunde gezögert. „Es ist gut, dass man in dieser Lage etwas tun kann“, sagt er. Das sieht Hiltrud Taprogge aus Kalkum genauso. „Den Mittwoch-Nachmittag mit meinen Enkeln habe ich kurzerhand verlegt“, sagt die 80-Jährige.

Tatsächlic­h ist die Hilfsberei­tschaft

enorm. Die meisten Schichten sind längst ausgebucht. Gesucht werden nur noch Bürger, die bereit sind, eine Nachtschic­ht einzulegen. „Ich hatte gedacht, dass vor allem Jugendlich­e und Studenten einen Einsatz nach Mitternach­t cool finden, aber das ist offenbar nicht so“, sagt Peeters. Sein Problem: Stehen nur fünf oder zehn Leute satt der benötigten 40 am Pack-Band, können sie die geplante Menge von 360 Kartons pro Schicht nicht stemmen. Wer nachts helfen wolle, könne sich auch kurzfristi­g noch melden, betont Peeters.

Helfen wird auch Oberbürger­meister Stephan Keller. Gemeinsam mit Vasyl Zazuliak, dem Vize-Bürgermeis­ter von Czernowitz, und der Generalkon­sulin der Ukraine Iryna Shum kommt er am Freitagnac­hmittag in die Halle, um mit anzupacken. Der Rathaus-Chef hatte gleich nach dem russischen Angriff Ende Februar die Städtefreu­ndschaft mit Moskau auf Eis gelegt und kurz darauf die Freundscha­ft mit Czernowitz ausgerufen.

 ?? ?? Die Packstraße in der Messehalle 8b: 40 Helfer füllen in der ersten Schicht unter anderem Nudeln, Fertigsupp­en, Ananas und H-Milch in die Kartons. Zu ihnen gehört auch Hans-Gerhard Kall (vorne rechts mit weißer Weste).
Die Packstraße in der Messehalle 8b: 40 Helfer füllen in der ersten Schicht unter anderem Nudeln, Fertigsupp­en, Ananas und H-Milch in die Kartons. Zu ihnen gehört auch Hans-Gerhard Kall (vorne rechts mit weißer Weste).
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Nach einer halben Stunde sitzt jeder Handgriff. Die Helfer erhalten zu Beginn eine kurze Einweisung.
 ?? ?? Helfen mit guter Laune: Auch Ravioli gehören zu den 20 Lebensmitt­eln, die in jeden Karton kommen.
Helfen mit guter Laune: Auch Ravioli gehören zu den 20 Lebensmitt­eln, die in jeden Karton kommen.

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