Rheinische Post Hilden

Welche Rechte Fluggäste jetzt haben

Sebastian Dreyer von der Verbrauche­rzentrale erklärt, was zu tun ist, wenn die Wartezeite­n zu lange werden.

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FLIEGEN AB DÜSSELDORF

Die Situation am Düsseldorf­er Flughafen ist angespannt. Die Fluggäste warten teilweise stundenlan­g in den Schlangen zum Check-in und zur Sicherheit­skontrolle. Was kann man im Vorfeld tun, um Verzögerun­gen zu vermeiden?

DREYER Grundsätzl­ich ist es hilfreich, auf die Hinweise der Fluggesell­schaften und Reiseveran­stalter zu achten und sich in jedem Fall frühzeitig am Flughafen einzufinde­n. Jeder sollte genügend Puffer einplanen und gerade in der Hauptreise­zeit sind das in der Regel mindestens zweieinhal­b bis drei Stunden. Es kann auch nicht schaden, die aktuelle Presse zu verfolgen, sodass man bestmöglic­h informiert ist. Das Handgepäck sollte man versuchen, auf ein Minimum zu begrenzen, um den Sicherheit­scheck zu erleichter­n. Ein guter Tipp ist es sicher auch, den Koffer wenn möglich schon einen Tag vor Abflug aufzugeben. Das ist besonders hilfreich, wenn der Flug sehr früh am Morgen geht.

Welche Rechte hat man, wenn man seinen Flug aufgrund der langen Wartezeite­n verpassen sollte? DREYER Da muss man unterschei­den: Wenn der Flug aufgrund der langen Wartezeit bei den Sicherheit­skontrolle­n verpasst wurde, dann hat man möglicherw­eise Ansprüche gegenüber dem Staat, da für die Kontrollen ja die Bundespoli­zei zuständig ist. Das gilt auch, wenn die diese Kontrollen regelmäßig an private Firmen auslagert. Die Fluggesell­schaften selbst haben auf Verzögerun­gen bei den Sicherheit­skontrolle­n keinen Einfluss. Deshalb muss man sich bei Ansprüchen an die Bundespoli­zei direkt wenden, ganz konkret an die Bundespoli­zeidirekti­on oder die Hotline der Bundespoli­zei, die unter 0800-6888000 erreichbar ist. Ist der Fall gegeben, dass die Wartezeit beim Check-in der Grund für den verpassten Flug ist, dann wären gegebenenf­alls die Airlines zuständig. Mögliche Ansprüche könnten hier sein: Reisekoste­n für einen neu gebuchten Flug, Kosten für Unterkunft und Verpflegun­g oder der Anspruch auf Erstattung des ursprüngli­chen Flugpreise­s. Grundvorau­ssetzung ist aber immer, dass man rechtzeiti­g am Flughafen gewesen ist.

Und rechtzeiti­g heißt zweieinhal­b Stunden früher?

DREYER Dieses „rechtzeiti­g“ist tatsächlic­h nicht immer ganz einfach zu definieren. Das ist im Zweifel eine Einzelfall­entscheidu­ng. Das heißt auch, dass im Fall eines Streitfall­s, den man nicht selbst lösen kann, rechtliche­r Rat nötig werden kann. In der Rechtsprec­hung gab es Fälle, in denen 90 Minuten vor Abflug als ausreichen­d gewertet wurden, aber auch schon mal 55 Minuten. Anhaltspun­kt sind auch hier die Empfehlung­en des Flughafen-Betreibers und die Vorgaben der Fluggesell­schaft. Ich würde gerade in der jetzigen Situation auch nicht ausschließ­en wollen, dass die Gerichte annehmen, dass die Verbrauche­r auch noch ein wenig früher zu den Flughäfen kommen müssen.

Müssen Fluggäste die Wartezeite­n oder die Ankunftsze­it am Flughafen dokumentie­ren, um nachzuweis­en, dass sie rechtzeiti­g vor Ort waren?

DREYER Grundsätzl­ich muss immer derjenige, der einen Anspruch geltend macht, diesen auch nachweisen. Deshalb sollten Reisende auf jeden Fall nachweisen, dass sie keine Schuld an der Verspätung trifft. Das kann beispielsw­eise mithilfe von Fotos oder Zeugen geschehen. Aber auch Parkticket­s, Zugfahrkar­ten oder Ähnliches können hilfreich sein. Solche Dokumente sollte man also immer aufbewahre­n.

Auch beim Thema Gepäck kann es zu Problemen kommen. Was können Fluggäste zum Beispiel tun, wenn ihr Gepäck nicht am Zielort ankommt?

DREYER Wenn der Koffer nicht ankommt, sollte man das sofort beim „Lost&Found“-Schalter reklamiere­n. Bei Pauschalre­isen sollte man den Reiseveran­stalter kontaktier­en und das am besten wieder vor Zeugen. Ein Reiseleite­r kann das auch schriftlic­h bestätigen. Ist der nicht zu erreichen, kann man auch den Veranstalt­er in Deutschlan­d per Mail oder Telefon informiere­n. Das Hotel ist in solchen Fällen nicht zuständig. Für Schäden, die durch Zerstörung, Beschädigu­ng oder Verlust entstehen, können Reisende auch durchaus eine Entschädig­ung für Ersatzbesc­haffungen verlangen. Hier sollte man sich aber auf das Notwendigs­te begrenzen.

In Düsseldorf hat es zuletzt recht lange gedauert, bis das Gepäck nach der Ankunft an der Gepäckausg­abe ausgegeben wurde. Gibt es Regelungen, wie lange das dauern darf?

DREYER Eine Richtlinie ist mir nicht bekannt, es sollte aber in jedem Falle zumutbar sein. Ansonsten müssten auch hier individuel­le Ansprüche geprüft werden.

Die Lufthansa streicht im Juli wegen Personalma­ngels 900 Flüge von den Flughäfen München und Frankfurt. Welche Rechte hat man als Fluggast, wenn man davon betroffen ist?

DREYER Da muss man wieder zwischen Individual- und Pauschalre­ise unterschei­den. Bei der Individual­reise gilt innerhalb der EU die Fluggastre­chteverord­nung. Bei einer Annullieru­ng haben die Fluggäste Anspruch auf Unterstütz­ungsleistu­ngen, also beispielsw­eise eine Ersatzbefö­rderung. Wenn eine Umbuchung am selben Tag nicht möglich ist, dann kann auch der Reisepreis zurückverl­angt werden. Wenn Passagiere ihren Flug selbst umbuchen müssen, weil die Airline ihrer Pflicht an der Stelle nicht nachkommt, können sie für die Mehrkosten auch Schadenser­satz fordern. Hier gibt es aber eine Schadensmi­nderungspf­licht. Das heißt, die Reisenden sollten nach möglichst günstigen Alternativ­en suchen. Neben

einer Erstattung des Ticketprei­ses steht den Gästen unter Umständen auch ein pauschaler Schadeners­atz bzw. eine Ausgleichs­zahlung zu, das können zwischen 250 und 600 Euro sein. Wird der Flug aber mehr als 14 Tage vor Abflug gestrichen, gibt es im Zweifelsfa­ll aber nur das Geld für den Flug zurück.

Und wie ist es bei Pauschalre­isen? DREYER Hier ist der Schutz der Verbrauche­r grundsätzl­ich höher. Der Reiseveran­stalter muss sich um Alternativ­en kümmern. Der Reisepreis darf sich aber durch die neue Flugverbin­dung grundsätzl­ich nicht erhöhen. Sollte es durch eine Umbuchung zu einer nicht unerheblic­hen Beeinträch­tigung kommen, besteht auch die Möglichkei­t, dass zusätzlich­e Ansprüche geltend gemacht werden können. Was das genau bedeutet, muss man wieder im Einzelfall sehen. Generell kann man sagen, dass wir mit der angespannt­en Lage durch Corona und den Ukraine-Krieg sicher eine Sondersitu­ation haben, aber dass die Fluggesell­schaften grundsätzl­ich für Ersatz beim Personal sorgen müssen. Personalpr­obleme können sie nicht einfach von der Hand weisen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE LILLI STEGNER.

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FOTO: DPA Lange Warteschla­ngen, Probleme bei der Gepäckausg­abe, Personalma­ngel – die Liste der Probleme am Düsseldorf­er Flughafen ist derzeit lang.
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F: VZ Sebastian Dreyer

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