Glauben in aller Öffentlichkeit
Das waren noch Zeiten, als das Fronleichnamsfest mit seinen Prozessionen eine echte Provokation war: Die Katholiken trugen durch die Straßen, was ihnen hoch und heilig war, nämlich den „Leib des Herrn“(vronlichnam) in der geweihten Hostie. Während die Protestanten, die vermeintlichen Glaubensgegner, demonstrativ ihrer Arbeit nachgingen, am besten noch die Wäsche machten. Und auch das waren noch Zeiten, als die katholischen Umzüge in einer zunehmend säkularen Welt hierzulande wenigstens Demonstrationen des Glaubens waren. Trotzig wurde auf der Straße zur Schau gestellt, wofür es sich zu leben lohnt.
Und heute? Sicher, es gibt weiterhin die feierlichen Prozessionen, in ländlichen Gegenden zumal. Aber auch in Köln, wo schon seit dem späten 13. Jahrhundert erste Fronleichnamsprozessionen belegt sind und wo in diesem Jahr nach dem Umzug ein Pontifikalamt auf dem Roncalliplatz gefeiert werden soll. Dennoch ist dieses Kirchenfest inzwischen vielen Menschen unbekannt und den meisten auch fremd geworden. Bei aller Andacht wirkt das, was zelebriert wird, wie aus der Zeit gefallen. Aber nicht etwa als Korrektiv zum Zeitgeist, sondern als eine museale Begebenheit. Das ist auch dem tiefen Vertrauensverlust in die Institution Kirche geschuldet und der Ratlosigkeit, wie Glauben zu den Menschen gebracht werden kann. Dabei hätte Fronleichnam das Zeug genau dazu: aus der Kirche heraus und auf die Straße zu gehen, um offen, ungeschützt, lebensnah von der großen Botschaft zu erzählen. Lothar Schröder