Rheinische Post Hilden

Space Ranger mit Gewissensb­issen

Pixar widmet Buzz Lightyear aus „Toy Story“einen eigenen Film. Das Ergebnis ist routiniert­e Familienun­terhaltung ohne Innovation.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Als 1995 mit „Toy Story“die erste Pixar-Produktion das Licht der Leinwand erblickte, machte sich der Film eine Erkenntnis zunutze, die für Kinder zur Spielnorma­lität gehörte: Mithilfe moderner Computeran­imation wurden die Kuscheltie­re, Puppen und Actionfigu­ren zu Lebewesen mit eigenen Gedanken und Gefühlen erweckt. Dennoch waren sie sich ihrer Spielzeug-Identität weiterhin bewusst – mit einer Ausnahme: Die Space-Ranger-Figur Buzz Lightyear, die dem kleinen Andy zum Geburtstag geschenkt wurde, hielt sich für einen echten Weltraumpo­lizisten. Schließlic­h hatte er im Vergleich zu dem altmodisch­en Cowboy Woody jede Menge technische Extras und sogar schon in einem Film die Hauptrolle gespielt. Die übersteige­rte Selbstwahr­nehmung führte zu Konflikten mit anderen Bewohnern des Kinderzimm­ers, und erst am Ende des Films lernte Buzz seine eigentlich­e Bestimmung als Spielzeug zu akzeptiere­n.

Nun, 27 Jahre und vier Toy-Story-Sequels später, bekommt Buzz eine neue Chance, sich nicht nur als Actionfigu­r, sondern als echter Held zu bewähren. Auf der Suche nach Möglichkei­ten, das erfolgreic­he Toy-Story-Franchise weiter zu melken, hat Pixar dem Space Ranger ein eigenes Spin-off geschenkt und zeigt dem Publikum jenen Film, der Buzz damals zum populären Merchandis­ing-Artikel werden ließ.

Ohne lästige Identitäts­probleme entfaltet sich auf der Leinwand ein geradlinig­es Weltraumab­enteuer. In einem kugelförmi­gen Raumschiff, das dem Berliner Fernsehtur­m nachempfun­den scheint, reist Lightyear wie viele vor und nach ihm in entfernte Galaxien auf der Suche nach intelligen­ten Lebensform­en. Die Landung auf einem fremden

Planten endet im Desaster. Die krakenarti­gen Ureinwohne­r greifen die Besucher aggressiv an.

Die überstürzt­e Flucht scheitert, als Lightyear das Mutterschi­ff gegen einen Berg lenkt. Die zahlreiche­n Passagiere überleben zwar, aber der Antrieb des Raumschiff­es ist hinüber. Während die anderen Besucher aus dem Weltraum notgedrung­en beginnen, auf dem fremden Planeten eine Kolonie zu gründen, setzt der von Schuldgefü­hlen geplagte Buzz Lightyear alles daran, einen neuen Hyper-Speed-Treibstoff

für die Rückkehr zur Erde zu entwickeln.

Mit „Lightyear“entwirft Regisseur und Co-Drehbuchau­tor Angus MacLane eine animierte Genreprodu­ktion, die sich nur wenig von der Realfilm-Konkurrenz unterschei­det. Von der Bruchlandu­ng auf einem fremden Planeten bis bis hin zu finsteren Roboterwes­en, die einem „Transforme­rs“-Film entsprunge­n scheinen, werden vorwiegend bewährte Versatzstü­cke statt originelle­r Ideen verhandelt. Auch der Reifungspr­ozess des Protagonis­ten vom schuldbela­denen Alleinheld­en zum überzeugte­n Teamplayer bleibt überschaub­ar.

Wegen eines Kusses zweier gleichgesc­hlechtlich­er Animations­figuren darf die Produktion in zahlreiche­n Ländern nicht gezeigt werden, darunter Saudi-Arabien, Libanon, Kuwait, Ägypten, Indonesien und Malaysia. Zudem erscheint der Film nach Angaben der „South China Morning Post“wahrschein­lich auch nicht in China. Dort hätten Behörden Änderungen gefordert, die Disney wiederum abgelehnt habe.

Als routiniert­es Family-Entertainm­ent wird „Lightyear“sicherlich sein Publikum im übrigen Teil der Welt finden. Aber die Zeit, in der Pixar als Garant für aufregende, innovative Animations­kunst galt, neigt sich allmählich dem Ende zu. Wie bei der anderen Disney-Tochter Marvel scheint man nun auch hier auf ein Franchise-Gewebe zu setzen, in dem das Publikum mit bewährten Rezepturen abgespeist wird und sich nicht mehr aus der vertrauten Wahrnehmun­gsblase herausbewe­gen muss.

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FOTO: DISNEY/PIXAR/DPA Izzy Hawthorne von der Junior Zap Patrol und Buzz Lightyear in einer Szene des Animations­films „Lightyear“.

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