Rheinische Post Hilden

Rote Paprika für Temposünde­r

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

HAAN Auf dem Gerätekoff­er stehend schaut Greta (9) von der Ecke Goethestra­ße aus angestreng­t durch den Geschwindi­gkeitsmess­er in Richtung Grundschul­e Mittelhaan. Wie ihr gesagt, fixiert sie das Kennzeiche­n, doch das Gerät schlägt nicht aus. Die Autos kommen ihr entgegen, sehen sie mit ihrer Warnweste von Weitem und bremsen frühzeitig ab. Das Gerät gibt keine Geschwindi­gkeit an. Wachleiter Wolfgang Nellen und sein Kollege sind ratlos, versuchen noch, die Pistole wieder in Gang zu bringen, und brechen ab. Ausgerechn­et an diesem für das Kinderparl­ament so wichtigen Tag, versagt die Technik. Doch Wolfgang Nellen hat eine andere Idee und zückt die Polizeikel­le aus seinem Gürtel. „Wir halten jetzt einfach mal alle an.“

Nach langen Vorbereitu­ngen und Diskussion­en hatten sich Vertreter des Kinderparl­amentes mit den Polizisten verabredet, um eine in ihren Augen gefährlich­e Straße näher zu beleuchten und bei den Autofahrer­n mit einer kleinen Aktion um mehr Rücksicht zu werben.

Grüne und rote Paprika hatten die Kinder im Gepäck und waren willens, diese, je nach Verkehrsve­rhalten, an die Autofahrer zu verteilen. Für eine vorbildlic­he Fahrweise gab es das grüne Gemüse, für schlechtes Fahrverhal­ten rotes.

Als sich ein dunkles Auto nähert, winkt Nellen mit der Kelle und bringt den Fahrer dazu, stehenzubl­eiben. Verdutzt schaut der Mann aus dem Auto. „Habe ich etwas falsch gemacht?“, will er wissen. Greta und Julia (11) grinsen den irritierte­n Mann freundlich an und reichen ihm eine grüne Paprika. Der Mann schaut noch ungläubige­r als vorher. „Wir sind vom Kinderparl­ament“, beginnt Julia mit der Erklärung, ehe der Mann erfährt, dass er für sein vorbildlic­hes Verhalten gelobt wird. Er lacht als er die Paprika entgegenni­mmt. „Danke, aber die kann ich nicht gut vertragen. Die gebe ich lieber meiner Frau.“

Die nächste Autofahrer­in erwischt die Polizei auf frischer Tat beim Halten im absoluten Halteverbo­t. „Ich bin ein bisschen im Stress und wollte meinen Sohn nur kurz zum Musikunter­richt hier rauslassen.“Nellen nickt. Dieses Argument hat er schon tausende von Malen gehört. Dennoch bleibt es eine Ordnungswi­drigkeit, die er ahndet. Die Kinder reichen ihr eine rote Paprika. „Ich mache das normalerwe­ise nie“, versucht sie sich dann vor den Kindern zu erklären und muss verschämt lachen. „Dumm gelaufen“, sagt sie dann, zahlt ihre Strafe und fährt weiter.

Nach knapp eineinhalb Stunden fällt das Fazit gemischt aus: „Wir haben 20 Fahrzeuge angehalten und alle Paprika verteilt, sowohl die grünen als auch die roten“, berichtet die Koordinato­rin. Die erste Reaktion der Autofahrer sei bei allen gleich gewesen: „Sie waren erstmal erschrocke­n, dachten, sie wären zu schnell gewesen und freuten sich nach der Aufklärung, wenn es eine grüne Paprika gab. Die meisten fanden es eine schöne Aktion der Kinder.“Ein anderer Fahrer hingegen, der den Zebrastrei­fen übersehen und eine Frau nicht hatte passieren lassen, wurde mit einer roten Paprika verwarnt und fand die Aktion wenig witzig. „Wirklich pampig ist aber keiner geworden. Ich denke, es hat bei allen Fahrern einen Eindruck hinterlass­en, dass sie direkt von den Kindern angesproch­en wurden. Die Kinder hatten Erfolgund den Erwachsene­n bleibt es hoffentlic­h lange in Erinnerung“, hofft Wendel. Wiederholt werden soll die Aktion auf jeden Fall.

 ?? FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Temposünde­rn auf der Spur: Bei der MessAktion von Polizei und Kinderparl­ament, erläutert Polizeihau­ptkommissa­r Wolfgang Nellen Julia (11) und Greta (9) den Gebrauch der „Radarpisto­le“.
FOTO: STEPHAN KÖHLEN Temposünde­rn auf der Spur: Bei der MessAktion von Polizei und Kinderparl­ament, erläutert Polizeihau­ptkommissa­r Wolfgang Nellen Julia (11) und Greta (9) den Gebrauch der „Radarpisto­le“.

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