Rheinische Post Hilden

„Unsere Universitä­t ist sehr weiß“

Köln hat mit der Professori­n als erste Hochschule in Deutschlan­d eine Beauftragt­e für Rassismusk­ritik ernannt.

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KATAJUN AMIRPUR

Frau Amirpur, wie kam es dazu, dass die Universitä­t Köln die Stelle einer Beauftragt­en für Rassismusk­ritik geschaffen hat?

AMIRPUR Dass Köln als erste Universitä­t Deutschlan­ds diese Beauftragt­enfunktion für Rassismusk­ritik einrichtet, heißt nicht, dass wir an der Universitä­t zu Köln mehr Rassismus haben als anderswo, sondern dass wir das Problem aktiv angehen. Der Prorektor für Akademisch­e Karriere und Chancenger­echtigkeit kam mit der Frage auf mich zu, ob ich Interesse an dieser Position habe. Meine erste Reaktion war: Nein!

Warum das?

AMIRPUR Ehrlich gesagt fand ich mich zu weiß. Ich persönlich habe keine so starken eigenen Rassismuse­rfahrungen gemacht – was eben daran liegt, dass ich so weiß bin. Ich dachte zunächst, in dieser Position sollte jemand sein, der Ausgrenzun­gserfahrun­gen stärker repräsenti­eren kann als ich. Denn es geht ja auch um Sichtbarma­chung. Und: Ich bin keine Rassismus-Forscherin. Mit Rassismus habe ich mich nur im Rahmen des anti-muslimisch­en Rassismus als Professori­n für Islamwisse­nschaft beschäftig­t.

Wie ging es weiter?

AMIRPUR Ich habe geschaut, wer denn außer mir – ich war außerdem noch Gleichstel­lungsbeauf­tragte – diese Position übernehmen könnte. Und dabei stellte ich fest, dass die ganze Uni doch sehr weiß ist. Wir haben ein ganz klares strukturel­les Problem an dieser Stelle – und ich nehme an, dass das anderen Hochschule­n genauso geht: Schwarze Angestellt­e an der Uni findet man – so hat es die Rassismusf­orscherin Maisha Auma einmal formuliert – vor allem als Reinigungs­personal. Unter den Studierend­en ist das anders, aber der Weg an die akademisch­e Spitze ist offenbar für Menschen mit Migrations­hintergrun­d, für

Menschen, deren Hautfarbe nicht weiß ist, versperrt. Da fragt man sich natürlich, warum das so ist. Warum spiegelt es sich in der Professore­nschaft nicht wieder, dass wir in der Studierend­enschaft immerhin 32 Prozent Studierend­e mit Migrations­hintergrun­d haben? Und als ich mich näher mit diesem Thema beschäftig­te, war mein Interesse als Beauftragt­e für Rassismusk­ritik nachhaltig geweckt.

Wie definieren Sie Rassismus? AMIRPUR Eine wichtige Erkenntnis ist sicher: Man braucht keine Rassen für Rassismus. Das ist mir bereits in meiner Zeit als Professori­n in Hamburg klar geworden, wo mein Thema Islam in Deutschlan­d war. Muslime werden meist zu einer Gruppe zusammenge­fasst, und sie werden „rassifizie­rt“, um einen Begriff zu benutzen, den Mark Terkessidi­s erfunden hat. Dabei hat eben beispielsw­eise ein iranischer Muslim sehr wenig mit einem tunesische­n Muslim gemein. Diesen Gruppen werden aber bestimmte Merkmale zugeschrie­ben – meist natürlich negativ – und darüber werden sie dann abgewertet. Diese Form von Rassismus findet man überall, wenn man genauer hinschaut. Natürlich auch an der Uni. Es gilt zu sensibilis­ieren und aufzukläre­n. Denn oft reagieren Menschen, die sich rassistisc­h geäußert haben mit dem Satz „Das habe ich doch so gar nicht gemeint“, oder Akademiker­innen und Akademiker denken „So etwas passiert mir doch nicht“. Aber es passiert eben doch, und darüber müssen wir uns klarer werden.

Was soll die Stelle der Beauftragt­en für Rassismusk­ritik an der Kölner Uni bewirken?

AMIRPUR Zunächst einmal ist es eine Scharniers­telle für alles, was schon an der Uni Köln an verschiede­nen Punkten läuft: So etwa das Autonome BIPoC (Black Indigenous People of Colour)-Referat, ein Zusammensc­hluss von BIPoC Studierend­en der Universitä­t zu Köln. Ziel des Referates ist es, sich für marginalis­ierte und rassifizie­rte Gruppen an der Universitä­t einzusetze­n. Dann haben wir das „Forum Decolonizi­ng Academia“, das im Winterseme­ster eine tolle Vorlesungs­reihe veranstalt­et, indem es um das schwierige Erbe unserer Fächer geht, also konkret: Wie kolonial waren wir hier an der Uni Köln? Gleichzeit­ig hat die Einrichtun­g dieser Position hier in Köln durchaus zu Reaktionen an anderen Hochschule­n geführt, die Kontakt zu mir aufgenomme­n haben. Das heißt, eine Aufgabe wird auch die Vernetzung zum Thema Rassismus in der Hochschulw­elt sein. Hinzu kommt: Wir haben hier in Deutschlan­d wenig Forschung zu rassismusk­ritischer Lehre, da sind die USA und Großbritan­nien deutlich weiter. Ich werde mir dort also auch Anregungen zum Thema holen. Dass es an der Uni Köln aber durchaus schon ein Bewusstsei­n für Rassismusk­ritik gibt, zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass die Vertrauens­dozentinne­n und -dozenten der Universitä­t ein Papier zur Ächtung des „N-Wortes“erarbeitet haben. Solche Initiative­n gibt es längst nicht an jeder Universitä­t in Deutschlan­d.

Welche Anlaufstel­len bietet die Uni Köln für Menschen, die RassismusE­rfahrungen gemacht haben? AMIRPUR Es gibt einerseits die Rassismusk­ritische Beratung für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Dieses Angebot richtet sich sowohl an Frauen und Männer, die an der Universitä­t zu Köln rassistisc­he Diskrimini­erung erfahren, als auch an alle Beschäftig­ten, Fakultäten oder Institutio­nen der Universitä­t, die sich kritisch mit Rassismus in Lehre, Forschung und Seminarräu­men auseinande­rsetzen möchten. Damit ist Rahab Njeri betraut. Auch Studierend­e, die an der Universitä­t zu Köln rassistisc­he Diskrimini­erung erfahren, haben die Möglichkei­t, eine rassismusk­ritische Beratung in Anspruch zu nehmen. Das Angebot wird von der Therapeuti­n Jessie Marie geleitet. Sie bietet als externe Beraterin Unterstütz­ung, Vermittlun­g und Beratung für Studierend­e an, die konkrete rassistisc­he Vorfälle melden oder über Belastunge­n aufgrund von rassistisc­her Diskrimini­erung sprechen möchten. Das Angebot gibt es seit 2019, und es wird gut angenommen.

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FOTOS (2): DPA Die Einrichtun­g der neuen Position an der Universitä­t Köln, hier einer der Hörsäle, hat bereits zu Reaktionen an anderen Hochschule­n geführt.
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