Rheinische Post Hilden

Wie Unternehme­n ihre Widerstand­sfähigkeit stärken können

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lem in Deutschlan­d wirksam sei: eine Zweiteilun­g zwischen freiwillig und gesetzlich verbindlic­h. Internatio­nal, vor allem in angelsächs­ischen Rechtssyst­emen, werde hingegen das „soft law“, also die nicht gesetzlich geregelte Normensetz­ung, durchaus anerkannt. Spießhofer plädiert hier im Zusammenha­ng mit dem Lieferkett­engesetz für Flexibilit­ät. Wenn etwa alle 27 EULänder eine gesetzlich feingliedr­ig ausgestalt­ete Regelung anwenden, aber womöglich noch länderspez­ifisch ausdiffere­nziert, stehe ein Lieferant aus Bangladesc­h, der in die EU liefert, vor großen Problemen.

Uwer führt als Moderator die Fäden mit einem Verweis auf den Gesellscha­ftstheoret­iker Niklas Luhmann zusammen: Dessen Funktionsb­estimmung, das Recht diene der Reduktion von Komplexitä­t, treffe heute auf eine immer rasanter steigende Differenzi­erung der Rechtsordn­ung selbst. Die Konsequenz­en beobachtet der Rechtsanwa­lt und Sanierungs­experte Dr. Dirk Andres (AndresPart­ner) täglich in der Praxis: Unternehme­n müssten derzeit die zunehmende Komplexitä­t der Rechtsvorg­aben gleichzeit­ig mit den Folgen der Krisen bewältigen: „Insbesonde­re der Mittelstan­d ist ohnehin durch die aktuellen Herausford­erungen belastet und soll nun zusätzlich neue gesetzlich­e Vorgaben umsetzen – das können die Unternehme­n nicht leisten.“Unternehme­rtum werde ebenso wie Innovation unterdrück­t.

Auch Daniel Schacherl (fintegra) beobachtet diese Phänomene in der unternehme­rischen Praxis. Fintegra bietet Systeme für ein steuerlich­es Fremdwähru­ngs-, betrieblic­hes Steuer- und für ein Vermögens-Reporting an. Die Kunden sehen sich ebenfalls mit der Vielzahl der Regularien und dem damit verbundene­n Implementi­erungsaufw­and überforder­t, bestätigt Schacherl.

Die von Birgit Spießhofer erwähnte Spannung zwischen Anspruch und Realität bei den ESG-Regeln bezieht Dirk Uwer auf die EU-Taxonomie-Verordnung. Hier sei die Diskussion zum Beispiel um die Bewertung von Kernenergi­e und Kohle durch den Ukraine-Krieg neu entbrannt. Sven-Joachim Otto erwähnt dabei, dass selbst der grüne Wirtschaft­s- und Energiemin­ister Robert Habeck nun Kohle als Brückentec­hnologie akzeptiert­e. „Das hätten wir noch vor wenigen Monaten nicht für möglich gehalten.“Ähnliches gelte für die Waffenprod­uktion, sagt Otto. In der Taxonomie werde sie benachteil­igt, „aber im Zusammenha­ng mit Diskussion­en um die Sicherheit in Europa werden wir auch darüber auf europäisch­er Ebene nachdenken müssen“. Die Gestaltung der Taxonomie war umstritten; heraus kam ein „Kompromiss von 27 Staaten“, sagt Hans Peter Bork und schließt daraus: „Auch Wertvorste­llungen müssen harmonisie­rt werden.“

Im weiteren Diskussion­sverlauf greift Dirk Uwer nochmals das Thema soft law auf. „Es übt faktischen Druck aus, aber Bürger und Unternehme­n haben auf seine Entstehung keinen ausreichen­den Einfluss.“Die Normen seien nicht wie Gesetze durch demokratis­che und parlamenta­rische Entscheidu­ngen legitimier­t. Praktisch komme ihnen aber die gleiche Bedeutung zu. In der aktuellen Diskussion denke man über eine adäquate Rollenvert­eilung nach, erklärt Birgit Spießhofer. „Unternehme­n haben die Legitimati­onsfrage von Beginn an gespürt“, fügt Andreas Urban hinzu. Große Unternehme­n gingen nach seiner Beobachtun­g möglichst wenige Risiken ein, während sich mittelstän­dische, inhabergef­ührte Unternehme­n weniger mit diesen Fragen auseinande­rsetzten, sondern den Schwerpunk­t auf Investitio­nen in Dinge legten, die gebraucht würden.

Zum Abschluss der Runde gibt Birgit Spießhofer noch einen optimistis­chen Ausblick: Sie sieht die Chance, dass einseitige, ideologisc­h geprägte Diskussion­sansätze aufgebroch­en werden. Dies dürften Unternehme­n begrüßen, die derzeit die große Herausford­erung zu bewältigen haben, dass sie durch eine hohe Komplexitä­t steuern müssen.

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er Krisen widerstand­sfähiger werden. Was das für sie bedeutet, darüber tauschOrt in den Rudas Studios bzw. per Video zugeschalt­et.

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