Wirtschaftsweise für Energiespar-Prämie
Verbraucher könnten durch einen Rabatt belohnt werden, wenn sie weniger Gas verbrauchen. Der Mieterbund ist skeptisch.
BERLIN/DÜSSELDORF Der Vorschlag der Bundesnetzagentur, der Staat könnte wegen der Gasknappheit die Heizvorgaben für Vermieter zeitweise senken, hat eine breite Debatte über Einsparungen ausgelöst. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat die Bundesregierung und die Energieversorger aufgefordert, so schnell wie möglich Prämien für private Haushalte einzuführen, die ihren Gasverbrauch deutlich zurückfahren. „Das könnte man durch den Vergleich der Gasrechnungen relativ einfach überprüfen, und die Leute würden sich jetzt schon entsprechend ihren Möglichkeiten auf den Winter vorbereiten können“, sagte Grimm unserer Redaktion.
Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, hat einen ähnlichen Vorschlag. „Wir alle können beim Energiesparen einen großen Beitrag leisten. Energiesparen sollte deswegen belohnt werden“, sagte Scheer. „Daher werbe ich dafür, einen bundesseitigen Rabatt zu schaffen. Die Idee: Wer es schafft, beim Gasverbrauch einzusparen, soll direkt entlastet werden“, sagte Scheer. Je höher die Einsparung beim Verbrauch, desto höher der Rabatt: „So senken wir den Gasbedarf und die teuer einzukaufenden Gasmengen. Damit wird es letztlich günstiger für alle.“
Gegen eine solche Prämie sprach sich der Deutsche Mieterbund aus.
„Anreize zum Energiesparen haben Mieterinnen und Mieter allein dadurch, dass sie ihre Energiekosten zu 100 Prozent alleine tragen. Prämien mit dem Gießkannenprinzip bringen aus unserer Sicht nichts, vielmehr brauchen wir zielgerichtete und effektive Maßnahmen, die genau die Haushalte unterstützen, die die hohen Energiepreise nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren können“, sagte Präsident Lukas Siebenkotten auf Nachfrage.
Netzagentur-Präsident Klaus Müller hatte die Überlegungen des Bundes zu einer Änderung der Heizvorgaben für Vermieter im Gespräch mit unserer Redaktion geäußert. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angesichts der jüngsten Drosselung
russischer Gaslieferungen die Durchsetzung von Energiesparmaßnahmen mit gesetzlichen Mitteln ins Spiel gebracht. Sollte die gespeicherte Gasmenge nicht zunehmen, „dann werden wir weitere Maßnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich, vornehmen müssen“, hatte Habeck gesagt. Die deutschen Gasspeicher seien nur zu 56 Prozent gefüllt. Das ist nach Auffassung der Regierung viel zu wenig, um über den Winter zu kommen.
Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen setzen auf Solidarität aller Beteiligten. „Alle müssen jetzt vorausschauend handeln, Bürger, Wirtschaft und auch Städte und Gemeinden“, sagte Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städteund Gemeindebundes NRW. Wegen der hohen Kosten für den Betrieb öffentlicher Einrichtungen sparten die Kommunen schon seit Jahren, „wo es nur geht“. „Die Energiekrise zwingt uns, den Gürtel noch enger zu schnallen“, so Ruthemeyer. Das werde auch auf Kosten des Komforts gehen. Man müsse nun mit Blick auf den Winter prüfen, wo man beim Energieverbrauch in Rathaus, Turnhallen oder Kulturzentren „noch besser sparen“könne. Ökonomen befürchten wegen der Gasknappheit negative Folgen für die deutsche Wirtschaft. KremlChef Wladimir Putin könnte die Gaslieferungen in Kürze komplett einstellen. Erste Anzeichen dafür gab es am Freitag.