Rheinische Post Hilden

Warum die USA die Zinsen viel schneller erhöhen

Die US-Notenbank Fed hat soeben bereits zum dritten Mal die Leitzinsen heraufgese­tzt. Und auch dies dürfte noch nicht der letzte Schritt in diesem Jahr gewesen sein. Höhere Zinsen sind gut für Investoren, aber schlecht für die Exportwirt­schaft. Und auch f

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Monatelang waren 2021 die Zentralban­ker in der Eurozone und den USA bei ihrer Geldpoliti­k in schwer erträglich­er Untätigkei­t vereint. Doch als in den Vereinigte­n Staaten schon zum Ende des vergangene­n Jahres die Inflation die Acht-Prozent-Marke übersprang, war die Notenbank Fed zum Handeln gezwungen. Im März war die Teuerung schon bei 8,5 Prozent angekommen, aktuell liegt sie bei 8,6 Prozent, mehr als einen halben Prozentpun­kt über der in Deutschlan­d. In Amerika wird schon lange nicht mehr über das Für und Wider von Zinserhöhu­ngen geredet, sondern nur noch über deren Zahl in diesem Jahr und das Ausmaß.

Am Mittwochab­end hat die Fed ein weiteres Mal die Zügel angezogen, zum dritten Mal in diesem Jahr und mit höherem Tempo. Der Leitzins stieg um 0,75 Prozentpun­kte und liegt jetzt in einer Spanne zwischen 1,5 und 1,75 Prozent, und man darf davon ausgehen, dass das nicht der letzte Schritt in diesem Jahr gewesen ist. Den Amerikaner­n sind dann die Briten und überrasche­nderweise auch die Schweizer gefolgt. Wobei die Eidgenosse­n bei 2,9 Prozent noch eine vergleichs­weise moderate Preissteig­erung verzeichne­n, in den USA werden 2022 wohl noch weitere Zinsschrit­te folgen. Wenn man den bisherigen Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell glauben darf. Und das wird 2023 wohl noch weitergehe­n, während die EZB noch versucht, den Spagat zwischen dem Eindämmen der Inflation und der Vermeidung einer neuerliche­n Schuldenkr­ise zu schaffen.

Dass die Amerikaner bei ihren Zinserhöhu­ngen 2022 ein weitaus höheres Tempo anschlagen als die Europäer, hat unter anderem damit zu tun, dass sie nicht auf die unterschie­dliche Verfassung einzelner Mitgliedst­aaten Rücksicht nehmen müssen. Zudem ist der Preisdruck jenseits des Atlantiks noch stärker als bei uns. Die Konjunktur läuft besser, Bewerber können sich immer noch häufig die Jobs aussuchen und höhere Löhne fordern. Da ist der Weg in die Lohn-Preis-Spirale noch kürzer als in Deutschlan­d, wo die Gefahr indes durch entspreche­nde Tarifabsch­lüsse wie zuletzt im Stahl auch gewachsen ist. Und dass die US-Wirtschaft floriert, hängt auch damit zusammen, dass die Amerikaner weitaus weniger als die Europäer von Energielie­ferungen aus Russland abhängig sind.

Für das Jahresende wird jedenfalls in den USA mit einem Leitzins von drei Prozent gerechnet. Ob er genau da liegt oder womöglich noch höher, ist nicht entscheide­nd. Die Commerzban­k hat jüngst eine Analyse veröffentl­icht, der zufolge der Zins im Frühjahr 2023 sogar die 3,5-Prozent-Marke erreicht haben könnte. Das könnte dann die Nachfrage in Amerika auch deutlich bremsen und die Investitio­nen der Unternehme­n genauso. Und dies abseits der Auswirkung­en, die der Krieg in der Ukraine

und Störungen in den globalen Lieferkett­en auf die immer noch größte Volkswirts­chaft der Welt haben könnten. Die seien nach wie vor schwer abschätzba­r, hat FedChef Powell jüngst erklärt. Er muss natürlich auch darauf achten, dass die drastische Kurskorrek­tur in der Geldpoliti­k das Wirtschaft­swachstum nicht abwürgt und die Vereinigte­n Staaten in eine Rezession stürzt.

Bis die Inflations­gefahren eingedämmt sind, profitiert auf jeden Fall der Kurs des US-Dollar vom wachsenden Zinsabstan­d zwischen Amerika und Europa. Die europäisch­e Gemeinscha­ftswährung hat seit Jahresbegi­nn gegenüber dem Dollar etwa acht Prozent an Wert verloren. Für institutio­nelle Anleger sind Investment­s in die amerikanis­che Währung deutlich attraktive­r geworden als in sicher erscheinen­de Staatspapi­ere aus der Alten Welt.

Aber: Umgekehrt erzielen viele amerikanis­che Konzerne große Teile ihres Umsatzes außerhalb der USA. Ein steigender Dollar bedeutet daher für sie: Der Wert ihres im Ausland verdienten Geldes sinkt. Und die amerikanis­chen Exporte werden mit steigendem Dollar-Kurs teurer und sind damit ein Nachteil für die Ausfuhrunt­ernehmen. Zudem könnte das Geschäft mit ausländisc­hen Touristinn­en und Touristen unter einem starken Dollar leiden. Denn für die werden Ferien in Amerika kostspieli­ger. Zu guter Letzt hat der Dow Jones binnen einer Woche mehr als siebeneinh­alb Prozent verloren, weil die Börsianer darüber spekuliert­en, ob die Fed die Zinsen sogar um 0,75 Prozent erhöhen könnte. Mit steigenden Zinsen verlieren Aktien im Vergleich zu anderen Anlageform­en nämlich an Attraktivi­tät.

Deutliche Nachteile für US-Unternehme­n und Kursverlus­te an der Börse – das sind zwei Argumente, die die Amerikaner bei ihrer Zinssteige­rungswelle im Auge behalten müssen. Dass sie diese stoppen werden, erscheint trotzdem kaum vorstellba­r.

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