Schüler lernen gemeinsam Religion
Nach den Sommerferien beginnen die Vorbereitungen für die „Konfessionelle Kooperation“im Fach Religion. Dabei wechseln sich katholische und evangelische Lehrkräfte ab, die Schüler bleiben beieinander.
DÜSSELDORF Evangelische und katholische Schüler dürfen künftig in Düsseldorf im Religionsunterricht gemeinsam die Schulbank drücken. Nach längerem Zögern hat das Erzbistum Köln für die „Konfessionelle Kooperation“grünes Licht gegeben. Als Alternative zu dem nach Konfessionen getrennten Unterricht, den es weiterhin geben wird, wird das Modell in Teilen von Nordrhein-Westfalen bereits praktiziert. Im kommenden Schuljahr beginnen die Vorbereitungen für den Start im August 2023. Voraussetzung für den gemeinsamen Unterricht ist, dass sich eine katholische und eine evangelische Lehrkraft jeweils abwechseln.
Monika Stemmler, die an der Werner-von-Siemens-Realschule arbeitet, hält die Entscheidung aus Köln „für lange überfällig“. Die 63-Jährige ist derzeit die Einzige, die an ihrer Schule das Fach katholische Religion unterrichtet. Schon heute nutzt sie bei bestimmten Themen die Lehrbücher ihrer evangelischen Kollegen. „Die erklären die Dinge meist so, dass die Schüler sie gut verstehen“, sagt sie. Und wenn es für die Einzelkämpferin bei den sechs von ihr betreuten Jahrgangsstufen einmal eng wird, übernehmen die evangelischen Kollegen auch mal eine ihrer Unterrichtsstunden. „Was ist eigentlich, wenn ich in Pension gehe?“, fragt Stemmler. Mit Blick auf den Lehrermangel in ihrem Fach findet sie es gut, wenn Schüler beider Konfessionen demnächst nicht mehr unbedingt auf zwei Gruppen aufgeteilt werden müssen.
Birgit Nösser, die heute die katholische Grundschule an der Fuldaer Straße leitet, hat diese bis heute unvermeidliche Aufteilung der Klassen in ihrer Zeit an der Gemeinschaftsgrundschule in Knittkuhl als unbefriedigend empfunden. „Es geht in diesem Fach ja nicht nur um Wissen, sondern um die großen Fragen des Lebens, um Vertrauen und um Miteinander. Dass sich eine Klassengemeinschaft gerade dabei trennen muss, hat mich damals sehr gestört.“Die neue Variante sieht die Pädagogin als vielversprechende Chance, mehr voneinander zu erfahren.
Tatsächlich entsteht durch die nun geplante „Konfessionelle Kooperation“kein neues Fach. „Es geht dabei nicht um die Entwicklung einer gemeinsamen, sozusagen ökumenische Christen- oder Einheitslehre“, sagt Pfarrer Martin Fricke, der beim evangelischen Kirchenkreis in Düsseldorf das Thema Bildung verantwortet. Stattdessen könnten und dürften die beiden Lehrer, die sich beim Unterricht abwechseln, immer wieder den Blick für das spezifisch Katholische und
Evangelische schärfen. Das ist auch dem Kölner Erzbistum wichtig. Das Modell habe das Potenzial, „die religiöse Dialogfähigkeit einerseits und die Positionalität in der eigenen Konfession anderseits gleichermaßen zu fördern“, heißt es in einer Mitteilung.
Zu denen, die diesen Anspruch mit Leben füllen sollen, gehören Verena Große Frericks (katholisch) und Andreas Hetterix (evangelisch). Die beiden sind Religionslehrer am Düsseltaler Goethe-Gymnasium. Einen Antrag auf den gemeinsamen Unterricht können sich die beiden für die Sekundarstufe I gut vorstellen. „Vor allem ab der siebten Klasse, wenn die Zahl derer, die sich für das Fach Religion entscheiden, abnimmt, ist das eine interessante Option“, sagt Hetterix. Rund die Hälfte der Fünft- und Sechstklässler (jeweils 120 Schüler) meldet sich derzeit für den konfessionsgebundenen Religionsunterricht an. Von diesen 60 Schülern eines Jahrgangs entscheidet sich gut die Hälfte für die katholische, der Rest für die evangelische Variante. Bereits jetzt arbeiten die beiden Gymnasial-Lehrkräfte zusammen, allerdings nur punktuell. „Wir gehen dann in die andere Gruppe, erklären dort beispielsweise die besonderen Feste und Feiern der jeweils anderen Konfession“, sagt Hetterix.
Dass man bald einen deutlichen Schritt weitergeht, hat nach Einschätzung von Große Frericks neben inhaltlichen („die Schnittmengen beider Konfessionen sind groß“) durchaus auch pragmatische Gründe. „Die Frage stellt sich, ob es Sinn macht, in Gruppen mit jeweils nur noch zehn evangelischen und katholischen Teilnehmern dauerhaft zwei Kollegen getrennt unterrichten
zu lassen“, meint sie.
Noch deutlicher bringt es Düsseldorfs stellvertretender Stadtdechant Joachim Decker auf den Punkt: „Besser wir bieten einen gemeinsamen Religionsunterricht an als irgendwann gar keinen mehr.“Schon jetzt falle das Fach zumindest an den städtischen Schulen oft aus. Dass in dem kooperativen Modell Identität auf der Strecke bleiben könnte, glaubt der Pfarrer von Eller und Lierenfeld nicht. „Es unterrichten ja zwei Lehrer aus beiden Konfessionen.“Diese Einschätzung teilt Superintendent Heinrich Fucks. „Mit Blick auf die Unterschiede, die noch existieren, ist es einfach nicht mehr geboten, in die Trennung zu gehen. Ich begrüße sehr, dass es nach längerem Zögern nun endlich losgehen kann, das wird ein wichtiger Beitrag zur Einheit in Vielfalt“, sagt der evangelische Pfarrer.