Die Mutter aller Mitmach-Musicals
Richard O’Briens „Rocky Horror Show“feiert im Capitol-Theater eine umjubelte Premiere mit einer starken Besetzung.
DÜSSELDORF Vorhang auf für Brad und Janet, die nach einer Autopanne an die Pforte eines einsamen Hauses klopfen. Kaum hat der schrullige Riff Raff dem Paar eher widerwillig den Zutritt gewährt, stolpern die beiden in das Abenteuer ihres Lebens. Der Hausherr, ein gewisser Frank ’n’ Furter, ist so charismatisch wie außergewöhnlich außerirdisch.
Die „Rocky Horror Show“ist zurück im Capitol-Theater und belohnt das Publikum mit einem starken Ensemble und einer gut aufgelegten Live-Band. Richard O’Briens Kultmusical gehört zu den wenigen Produktionen, die im Original auf Tournee gehen. Allein der Erzähler führt auf Deutsch in die Geschichte ein. Noch „jungfräulich“in dieser Rolle: Hardy Krüger jr., der am Premierenabend im Capitol in diese undankbare Aufgabe noch hineinwachsen musste. Denn „Rocky Horror“lebt von den Mitmachqualitäten des Publikums, das dem Erzähler traditionell ein „Boring!“(„Langweilig!“) entgegenruft.
Echte Fans gehen nicht ohne die passenden Requisiten in die Show. Dazu gehören unter anderem eine Zeitung, Klopapier, eine Wasserpistole und Konfetti, die in Schlüsselszenen zum Einsatz kommen.
Laufen Brad (Sev Keoshgerian) und Janet (Claire Keenan) zu Beginn durch den Regen, wird auch das Publikum nass und hält sich schützend eine Zeitung über den Kopf. Als das Paar in der Ferne ein Licht erblickt, halten die Zuschauer Knicklichter hoch, und in den Hochzeitsszenen werfen die Zuschauer Konfetti. Ursprünglich war es Reis, der den Paaren Glück bringen soll. Inzwischen verzichten die Produktionen allerdings darauf und haben ihn durch Papierschnipsel ersetzt.
Als Riff Raff (Christian Lunn) den „Time Warp“anstimmt, hält es niemanden mehr auf den Sitzen, alle tanzen mit, machen zunächst einen Schritt nach links, dann nach rechts und stemmen die Hände in die Hüften.
Die Spielfreude des Ensembles springt auf den Zuschauerraum über. Jeder Auftritt der einzelnen Charaktere wird vom Publikum gefeiert und kommentiert. Natürlich erntet der zwielichtige Wissenschaftler Dr. Scott ( Jordan Castle, der auch als Rocky zu sehen ist) immer ein „Buh“, sobald nur sein Name genannt wird.
Als echter Glücksgriff in der Besetzung erweisen sich Oliver Savile als Frank ’n’ Furter und Eleanor Walsh in der Rolle der Columbia. Savile überzeugt mit seiner Präsenz, starker Stimme und einem Hüftschwung auf High Heels, den – soviel verriet der Brite bei den Proben mit einem Augenzwinkern – seine Kolleginnen neidisch macht. Walsh gibt die sensible, etwas schrille Columbia. Sie ist heimlich in ihren „Meister“verliebt, der aber nur Augen für seine Kreation Rocky hat. Walsh piepst und kiekst sich konsequent durch den Abend und sorgt damit für den humorigen Teil.
Regisseur Sam Buntrock hat der 1974 zum ersten Mal von Richard O’Brien auf die Bühne gebrachten Show eine Frischzellenkur verpasst. Der Brite übernahm 2008 die
Leitung und inszeniert die aktuelle Produktion wie ein B-Movie. Schon vor der Reise ins Frank-’n’-FurterUniversum laufen Aufnahmen aus Horrorfilm-Klassikern über den Vorhang. Die Show bekam einen Vorund einen Abspann. Buntrock lässt außerdem Magenta (Sydnie Hocknell) „Science Fiction Double Feature“singen und damit wie eine Titelmelodie den Abend einrahmen.
Diese behutsame Überarbeitung hat dem Stück gutgetan. Buntrock gibt durch die filmischen Mittel Frank ’n’ Furter die ganz große Bühne und verleiht der Handlung gleichzeitig mehr Intimität. Das passe zu unserer Zeit und den Erfahrungen durch die Pandemie, erklärt der Regisseur.
Für Hardy Krüger jr. ist die Mitwirkung als Erzähler wie „eine kleine Zeitreise in meine Jugend“. Wie viele im Publikum ist auch der Schauspieler mit der Verfilmung als „Rocky Horror Picture Show“aus dem Jahr 1975 großgeworden. Gleichzeitig hat Hardy Krüger mit 18 Jahren selbst schon den Frank ’n’ Furter gespielt. „Es war eine meine ersten großen Rollen“, erinnert sich der inzwischen 54-Jährige. Erst im letzten Jahr stand er im Theater an der Kö auf der Bühne. Entsprechend „freue ich mich, wieder in Düsseldorf spielen zu dürfen“, sagt er. In der zweiten Gastspielwoche wird er von seinem Kollegen Sky du Mont abgelöst, der die Show schon auf vorherigen Tourneen als Erzähler begleitet hat.
Echte Fans gehen nicht ohne Zeitung, Klopapier, Wasserpistole und Konfetti in die Show