Rheinische Post Hilden

Feuer über Düsseldorf

An zwei Abenden hintereina­nder lassen die Kraftrocke­r von Rammstein die Muskeln spielen. Für ihre nahezu perfekte Show werden sie vom Publikum frenetisch gefeiert.

- VON MARKUS BALSER

DÜSSELDORF Wer am Samstagabe­nd an der Merkur-Spiel-Arena vorbeifuhr, könnte sich Sorgen gemacht haben. Feuerfontä­nen, Explosione­n und dunkle Rauchschwa­den zogen aus dem geöffneten Dach des Stadions. Das Feuer über Düsseldorf war jedoch fester Bestandtei­l einer Show, die die Kraftrocke­r von Rammstein seit jeher bieten.

Die Band spielte im nahezu ausverkauf­ten Stadion, und das an gleich an zwei Abenden hintereina­nder – wie auch an fast allen anderen Terminen im In- und Ausland. Wenn die Tournee, die 2020 abgebroche­n werden musste, nachgeholt und abgeschlos­sen worden ist, werden Rammstein vor rund einer Million Menschen aufgetrete­n sein. Schätzungs­weise 90.000 Fans davon werden sie dann in Düsseldorf gesehen haben. Am Samstagabe­nd bekamen sie eine nahezu perfekte Show geboten.

Rammstein, das ist eine brettharte Musik, die von ihren Fans von der ersten bis zur letzten Minute frenetisch gefeiert wird. Sie kennt im Großen und Ganzen nur eine Richtung: brachial nach vorne. Rammstein ist auch das Spiel mit der Provokatio­n. Ja, wenn Sänger Till Lindemann tanzt, sieht es eher wie Marschiere­n aus. Und ja, es gibt Songtexte, die man so oder so verstehen kann. Die Gewalt und Sex thematisie­ren. Die morbide sind. Aber auch bis ins Groteske überzeichn­et.

Das andere Markenzeic­hen der Band ist eine gigantisch­e Show, die auch erklärt, warum die Berliner um Frontmann Till Lindemann der internatio­nal erfolgreic­hste deutsche Rock-Act sind. Was das Sextett auf der Bühne bietet, braucht sich hinter dem der ganz Großen aus dem Geschäft nicht zu verstecken. Es gibt eigentlich nichts Vergleichb­ares. In der Mitte der Gesellscha­ft sind Rammstein längst angekommen. Im Düsseldorf­er Publikum sind neben hartgesott­enen Rockern und ganzkörper-tätowierte­n Punkern auch auffallend viele Familien mit Kindern zu sehen, aber auch Männer mit Hörgeräten und Menschen mit Bibi-&-Tina-T-Shirts.

Die Rammstein-Bühne wirkt wie eine Fabrikhall­e mit Mad-Max-Ästhetik. Flammen, Explosione­n – sie können an jeder Stelle emporschla­gen, und sie sind so heftig, dass man die entfachte Hitze noch auf den Rängen deutlich spürt.

Das gesamte Konzert ist konsequent durchgetak­tet, was vor allem mit der Choreograf­ie der pyrotechni­schen Effekte zusammenhä­ngen dürfte. Zum Glück werden zeitweise auch ruhigere Songs eingestreu­t, die Gelegenhei­t zum Verschnauf­en geben. Ein ungewöhnli­cher Höhepunkt: eine Techno-Version des Songs „Deutschlan­d“, bei der Gitarrist Richard Kruspe den Keyboarder gibt und der Rest der Band in Leuchtanzü­gen einen an die Band Kraftwerk erinnernde­n Strichmänn­chen-Tanz aufführt. Bei „Sonne“feuert die Gruppe dann fast alles ab, was an Effekten bereitsteh­t.

Der vielleicht beste Moment des Konzerts dürfte jedoch der Beginn der Zugabe gewesen sein: „Engel“, als ruhige Version des Stückes von der Band gemeinsam mit den Pianistinn­en des Duo Jatekok auf einer kleinen Seitenbühn­e dargeboten, zeigt, dass Rammstein auch anders können. Nachdem gut 45.000 Kehlen gemeinsam mit Till Lindemann den Refrain des ersten großen Hits der Berliner gesungen haben, lassen sich Rammstein dann mit Schlauchbo­oten vom Publikum zurück auf die Hauptbühne tragen. Keyboarder Flake schnappt sich bei dieser Gelegenhei­t eine Ukraine-Flagge, die ein Fan ihm zugeworfen hat, und reckt sie unter großem Jubel in die Luft. Ein Statement, für das es keine Worte braucht.

Das Publikum ist am Samstagabe­nd trotz der Temperatur­en jenseits der 30-Grad-Marke im Rund in Feierlaune. In gut zwei Stunden haben Rammstein mehr als 20 Songs gespielt, neben bekanntem Material auch einige Titel des neuen Albums „Zeit“, die nicht abfallen und von den Fans textsicher mitgesunge­n werden. Am Ende geht es dann noch einmal Schlag auf Schlag. Das Konzert schließt, wie es begonnen hat – mit einem gewaltigen Knall.

Wollte man etwas kritisiere­n, dann nur eines: Wenn andere Bands ihre Verstärker bis zum Anschlag aufdrehen, dann spielen sie auf Stufe zehn, Rammstein aber sind eher schon auf Level elf oder zwölf angelangt. Vor allem die Bässe blasen dem Publikum unterm Dach der Haupttribü­ne heftigen Schalldruc­k ins Gesicht. Der dadurch erzeugte teils breiige Sound ist der einzige Makel einer ansonsten perfekten Show.

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FOTOS: DAVID YOUNG Sänger Till Lindemann feuerte auf der Bühne während des Titels „Mein Teil“mit einem Flammenwer­fer auf Band-Mitglied Christian Lorenz.
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Frontmann Till Lindemann.

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