Feuer über Düsseldorf
An zwei Abenden hintereinander lassen die Kraftrocker von Rammstein die Muskeln spielen. Für ihre nahezu perfekte Show werden sie vom Publikum frenetisch gefeiert.
DÜSSELDORF Wer am Samstagabend an der Merkur-Spiel-Arena vorbeifuhr, könnte sich Sorgen gemacht haben. Feuerfontänen, Explosionen und dunkle Rauchschwaden zogen aus dem geöffneten Dach des Stadions. Das Feuer über Düsseldorf war jedoch fester Bestandteil einer Show, die die Kraftrocker von Rammstein seit jeher bieten.
Die Band spielte im nahezu ausverkauften Stadion, und das an gleich an zwei Abenden hintereinander – wie auch an fast allen anderen Terminen im In- und Ausland. Wenn die Tournee, die 2020 abgebrochen werden musste, nachgeholt und abgeschlossen worden ist, werden Rammstein vor rund einer Million Menschen aufgetreten sein. Schätzungsweise 90.000 Fans davon werden sie dann in Düsseldorf gesehen haben. Am Samstagabend bekamen sie eine nahezu perfekte Show geboten.
Rammstein, das ist eine brettharte Musik, die von ihren Fans von der ersten bis zur letzten Minute frenetisch gefeiert wird. Sie kennt im Großen und Ganzen nur eine Richtung: brachial nach vorne. Rammstein ist auch das Spiel mit der Provokation. Ja, wenn Sänger Till Lindemann tanzt, sieht es eher wie Marschieren aus. Und ja, es gibt Songtexte, die man so oder so verstehen kann. Die Gewalt und Sex thematisieren. Die morbide sind. Aber auch bis ins Groteske überzeichnet.
Das andere Markenzeichen der Band ist eine gigantische Show, die auch erklärt, warum die Berliner um Frontmann Till Lindemann der international erfolgreichste deutsche Rock-Act sind. Was das Sextett auf der Bühne bietet, braucht sich hinter dem der ganz Großen aus dem Geschäft nicht zu verstecken. Es gibt eigentlich nichts Vergleichbares. In der Mitte der Gesellschaft sind Rammstein längst angekommen. Im Düsseldorfer Publikum sind neben hartgesottenen Rockern und ganzkörper-tätowierten Punkern auch auffallend viele Familien mit Kindern zu sehen, aber auch Männer mit Hörgeräten und Menschen mit Bibi-&-Tina-T-Shirts.
Die Rammstein-Bühne wirkt wie eine Fabrikhalle mit Mad-Max-Ästhetik. Flammen, Explosionen – sie können an jeder Stelle emporschlagen, und sie sind so heftig, dass man die entfachte Hitze noch auf den Rängen deutlich spürt.
Das gesamte Konzert ist konsequent durchgetaktet, was vor allem mit der Choreografie der pyrotechnischen Effekte zusammenhängen dürfte. Zum Glück werden zeitweise auch ruhigere Songs eingestreut, die Gelegenheit zum Verschnaufen geben. Ein ungewöhnlicher Höhepunkt: eine Techno-Version des Songs „Deutschland“, bei der Gitarrist Richard Kruspe den Keyboarder gibt und der Rest der Band in Leuchtanzügen einen an die Band Kraftwerk erinnernden Strichmännchen-Tanz aufführt. Bei „Sonne“feuert die Gruppe dann fast alles ab, was an Effekten bereitsteht.
Der vielleicht beste Moment des Konzerts dürfte jedoch der Beginn der Zugabe gewesen sein: „Engel“, als ruhige Version des Stückes von der Band gemeinsam mit den Pianistinnen des Duo Jatekok auf einer kleinen Seitenbühne dargeboten, zeigt, dass Rammstein auch anders können. Nachdem gut 45.000 Kehlen gemeinsam mit Till Lindemann den Refrain des ersten großen Hits der Berliner gesungen haben, lassen sich Rammstein dann mit Schlauchbooten vom Publikum zurück auf die Hauptbühne tragen. Keyboarder Flake schnappt sich bei dieser Gelegenheit eine Ukraine-Flagge, die ein Fan ihm zugeworfen hat, und reckt sie unter großem Jubel in die Luft. Ein Statement, für das es keine Worte braucht.
Das Publikum ist am Samstagabend trotz der Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke im Rund in Feierlaune. In gut zwei Stunden haben Rammstein mehr als 20 Songs gespielt, neben bekanntem Material auch einige Titel des neuen Albums „Zeit“, die nicht abfallen und von den Fans textsicher mitgesungen werden. Am Ende geht es dann noch einmal Schlag auf Schlag. Das Konzert schließt, wie es begonnen hat – mit einem gewaltigen Knall.
Wollte man etwas kritisieren, dann nur eines: Wenn andere Bands ihre Verstärker bis zum Anschlag aufdrehen, dann spielen sie auf Stufe zehn, Rammstein aber sind eher schon auf Level elf oder zwölf angelangt. Vor allem die Bässe blasen dem Publikum unterm Dach der Haupttribüne heftigen Schalldruck ins Gesicht. Der dadurch erzeugte teils breiige Sound ist der einzige Makel einer ansonsten perfekten Show.