Glyphosat vor Gericht
Bayer legt sein Schicksal in die Hände des Supreme Court. In Frankfurt gewinnt ein Imker in einem Prozess zum Unkrautvernichter.
LEVERKUSEN Der Unkrautvernichter Glyphosat gerät weiter unter Druck. Am Montag verurteilte das Landgericht Frankfurt/Oder ein Agrarunternehmen, einem Imker 14.500 Euro an Schadenersatz zu zahlen. Das Unternehmen hatte auf Feldern Glyphosat ausgebracht, neben denen Bienenstöcke aufgestellt waren. Der Imker musste Wachs und Honig vernichten sowie seinen Betrieb aufgegeben. Die Bienenstöcke seien für jedermann sichtbar gewesen, der Agrarbetrieb habe fahrlässig gehandelt, urteilte das Gericht. Hier ging es nur um einen Einzelfall, in den Bayer gar nicht involviert ist.
Aus den USA kommen widersprüchliche Signale: Bayer hat mittlerweile vier Glyphosat-Prozesse gewonnen. Ein Berufungsgericht wies hingegen die US-Umweltbehörde EPA an, die Gefahren von Glyphosat zu überprüfen. Es bezweifelt die Einschätzung, dass der Unkrautvernichter Roundup ungefährlich sei.
Bayer wiederum betont, dass das Mittel sicher sei. An den GlyphosatKlagen entscheidet sich das Schicksal des Konzerns. Der Supreme Court wollte seine Entscheidung am Montag mitteilen. Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die US-Regierung vertritt, hatte dem Gericht davon abgeraten, die Klage anzunehmen.
Worum geht es Konkret geht es um Edwin Hardeman, der Roundup für seine Krebserkrankung verantwortlich macht. Ihm waren nach zwei Instanzen letztlich 25 Millionen Dollar an Schadenersatz zugesprochen worden. Bayer hatte daraufhin die Überprüfung des Urteils beim Supreme Court beantragt. Insgesamt haben 138.000 Amerikaner Ansprüche gegen Bayer angemeldet, davon wurden 107.000 verglichen oder erfüllen nicht die Kriterien.
Wie sind die Aussichten „Die Chancen, dass der Oberste Gerichtshof den Fall annimmt, sind sehr gering“, sagte Markus Manns, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Sollte der Gerichtshof ablehnen, würde das für Bayer das Risiko weiterer Klagen bedeuten. Sollten die Richter den Fall hingegen annehmen, „steigen die Chancen von Bayer auf einen juristischen Sieg“, so Manns. Ein Urteil dürfte es aber erst 2023 geben. Bei einem Sieg könnte der Konzern seine Rückstellungen auflösen. „Management und Investoren könnten sich wieder auf die fundamentale Entwicklung konzentrieren“, so Manns. Hier habe Bayer Fortschritte gemacht.
Was macht Bayer Für den Fall, dass das Gericht den Fall nicht annimmt, hatte Bayer schon zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Zudem hat der Konzern einen Fünf-Punkte-Plan zur Beilegung der Glyphosat-Klagen aufgelegt. So will er Krebspatienten, die eine Klage erwägen, die Teilnahme an einem Entschädigungsprogramm
anbieten. „Die Schadenersatzzahlungen im Rahmen des Fünf-Punkte-Plans sind um ein Vielfaches niedriger als Schadenersatzzahlungen im Rahmen eines Gerichtsurteils“, warnte Manns. Bayer setzt aber darauf, dass Patienten trotzdem einschlagen, weil sie dann schneller an ihr Geld kommen. Der Konzern kann auch versuchen, mit einem anderen Fall vor dem Supreme Court zu landen – etwa wenn verschiedene Vorinstanzen widersprüchliche Entscheidungen fällen.
Was wird aus Glyphosat Die Klagen kamen bislang vor allem von Privatkunden aus den USA. Um die Gefahr weiterer Klagen zu minimieren, will Bayer von 2023 an keine glyphosathaltigen Produkte mehr in den USA verkaufen. Glyphosat ist für Bayer eine Umsatzmaschine.
Ist ein Ende der Klagen in Sicht Die Latenzzeit bei Lymphdrüsenkrebs ist lang, auch in Jahren könnten noch Erkrankungen auftreten und
Patienten versuchen, Bayer zu verklagen. Jedoch ist es bei Einigungen („Settlements“), wie Bayer sie in den USA erzielt, üblich, dass die Kanzleien eine Summe bekommen, die sie als Entschädigung auf ihre Mandanten und ihr eigenes (üppiges) Honorar verteilen. Und im Gegenzug sagen die Kanzleien zu, grundsätzlich keine neuen Klagen gegen Bayer anzustrengen. Die Zahl der Kanzleien, die sich um Verbraucherklagen kümmern könnten, schwindet also mit jedem Settlement.
Was kostet das Ganze Bayer Der Konzern hat 63 Milliarden Dollar für die Übernahme von Monsanto gezahlt. Die Klagewelle könnte den Konzern weitere 15 Milliarden kosten: Für bisherige Klagen hat Bayer bis zu 9,6 Milliarden Dollar zurückgelegt, für künftige Klagen insgesamt 6,5 Milliarden. Den Aktienkurs hat der Deal nachhaltig beschädigt: Vor der Übernahme war die Aktie rund 100 Euro wert, aktuell liegt sie bei gut 63 Euro.