RWE holt Hunderte Mitarbeiter zurück
Wie lange fließt das Gas noch? Uniper ist besorgt. Robert Habecks Plan, Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen, hat Folgen für NRW.
DÜSSELDORF Die Gaskrise spitzt sich zu. Die Lage sei „angespannt“, erklärte die Bundesnetzagentur in Übereinstimmung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Im Moment sei die Gasversorgung stabil. Aber wie lange noch? Habecks Plan, nun Gas durch den verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken zu sparen, hat Folgen für NRW. RWE stoppt die Frühverrentung von manchen Mitarbeitern, die mit der Stilllegung von drei Braunkohle-Blöcken eigentlich in den Vorruhestand gehen sollten.
„RWE Power wird ihre Personalplanung in Kraftwerken und Tagebauen an die neue Einsatzbereitschaft anpassen. Das umfasst mehrere Hundert Stellen“, sagte die RWE-Sprecherin unserer Redaktion. „Der absehbar höhere Personalbedarf wird dadurch gedeckt, dass Mitarbeiter stellenweise erst später als bisher geplant über das Anpassungsgeld in den vorgezogenen Ruhestand gehen können.“Zudem soll der Personalbedarf über Einstellung von Ex-Azubis und vom externen Arbeitsmarkt gedeckt werden. RWE Power verfügt über drei Braunkohle-Blöcke mit je 300 Megawatt, die in der Sicherheitsbereitschaft sind.
Der Arbeitsdirektor der RWE Power, Kemo Razanica, forderte: „Auch Mitarbeiter, die nun – anders als geplant – temporär noch weiter zur Gewährleistung der Reserve arbeiten werden, müssen ihren Anspruch auf das Anpassungsgeld behalten. Wir werden nun in enger Abstimmung mit den Betriebsräten verlässliche Lösungen finden.“Zugleich begrüßte der Chef von RWE Power, Frank Weigand, Habecks Pläne: „Die Bundesregierung will zur Vorbereitung auf eine Gaskrise zusätzlich Gas einsparen und dafür unter anderem die Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken
verlängern. RWE wird ihrer Verantwortung nachkommen und alle erforderlichen Vorbereitungen für einen möglichen Einsatz treffen.“
Auch Uniper, größter Gas-Importeur aus Russland, ist besorgt: „Es ist eine angespannte Lage“, sagte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach. Uniper erhalte derzeit weniger als die Hälfte der vereinbarten Gasmengen. Sollte es so bleiben, könne es schwierig werden, die Speicher weiter zu befüllen. Aktuell sind die Speicher in Deutschland zu knapp 58 Prozent gefüllt. Eigentlich war Unipers Plan, ab 2024 nur noch das Kraftwerk in Datteln zu betreiben und andere wie Scholven, Heyden oder Staudinger vom Netz zu nehmen. „Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation“, so ein Uniper-Sprecher. „Daher sind kurzfristig ungewöhnliche Maßnahmen notwendig, zum Beispiel die Reaktivierung von Kohlekraftwerken.“Zugleich 58 %
laufen Gespräche, damit Henkel und Evonik die Kohlekraftwerke auf ihrem Gelände weiter betreiben und nicht durch Gaskraftwerke ersetzen müssen.
Ökonomen begrüßen Habecks Plan. „Es ist völlig richtig, dass der technisch komplizierte Ausstieg aus dem russischen Gas vorbereitet wird, um möglichen Liefereinschränkungen durch Gazprom etwas entgegenzusetzen, da die Industrie (Chemie, Glas, Papier, Stahl,
Nahrungsmittel vor allem) kurzfristig komplizierte Anpassungen kaum leisten kann“, sagte der Direktor des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. „Für die gesamte Industrie liegt die kurzfristig bis Jahresende mögliche Reduktion bei rund acht Prozent des Gaseinsatzes. Deswegen müssen andere Verbräuche gesenkt werden, vor allem sollte – wo immer möglich – der Einsatz von Gas in der Stromproduktion durch andere Quellen
ersetzt werden.“Dazu gehöre auch die Prüfung, die drei letzten Atommeiler länger laufen zu lassen.
Der Energieexperte des RWI-Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung, Manuel Frondel, weist auf die Grenzen von Habecks Vorschlag hin: „Das Umsteigen von Erdgas auf Kohle in der Stromerzeugung ist leichter gesagt als getan. Ein sehr hoher Prozentsatz an Gaskraftwerken läuft aber in Kraftwärmekopplung, und diese können wegen der benötigten Wärmeproduktion nicht einfach abgeschaltet werden“, sagte Frondel. „Da, wo es leicht möglich ist, ist es aus wirtschaftlichen Gründen schon erfolgt: Die Kohleverstromung ist wegen der hohen Erdgaspreise aktuell deutlich günstiger.“Frondel kann sich eine Verlängerung bei den Atomkraftwerken vorstellen.
Bei Haushalten sieht IW-Chef Hüther kaum Potenzial für verordnete Abschaltungen. „Die öffentliche Verwaltung, Unternehmen, aber auch Schwimmbäder können ab Herbst beim Heizen sparen (minus zwei Grad). Bei den privaten Haushalten kann man hingegen nur mit Appellen arbeiten, da die Heizungen – außer bei Fernwärme – nicht zentral reguliert werden können.“