NRW will Verlängerung für Bürgertests
Trotz Sommerwelle gibt es keine Klarheit, wie es mit den Testzentren weitergeht. Der Landesgesundheitsminister fordert den Bundesgesundheitsminister zum Handeln auf. Apotheker warnen vor freiwilligen Infektionen.
DÜSSELDORF Die Sommerwelle hat Nordrhein-Westfalen fest im Griff. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert-Koch-Institut am Dienstag 28.639 neue Corona-Infektionen und 17 Todesfälle. Nun macht Landes-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (CDU) Druck auf den Bund, den Weg für schärfere Schutzmaßnahmen freizumachen und die Testzentren zu erhalten.
„Wir haben fast Ende Juni, und das aktuelle Testregime läuft zum Ende des Monats aus. Es ist ein Unding, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Angestellten in den Testzentren, aber auch die Länder immer noch keine Klarheit über die Zukunft der Bürgertestungen haben“, sagte Laumann unserer Redaktion: „Ich erwarte, dass der Bund auch in Zukunft ein bürgernahes Testsystem ermöglicht, insbesondere für Menschen mit Symptomen und zum Schutz vulnerabler Gruppen.“
Aktuell gibt es 5654 Teststellen im Land. In der vergangenen Woche führten sie 465.000 Tests durch. „Die Apotheken beobachten in den Testzentren extrem hohe Positivraten bei den Bürgertests“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein: „In den NRW-Apotheken hatten wir am Montag mit 16 Prozent positiven Tests einen traurigen Rekord zu vermelden.“Die kostenlosen Bürgertests müssten erhalten bleiben – „gerade weil wir am Beginn einer starken Infektionswelle stehen“, mahnte Preis.
Heute treffen sich die Gesundheitsminister der Länder. NRW fordert mit Hessen, Baden-Württemberg und Bayern eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes. „Dazu zählen insbesondere Maskenpflicht in Innenräumen, 3G/2G-Zugangsregeln, Testpflichten, Personenobergrenzen und Kontaktbeschränkungen“, heißt es im Vorschlag der vier. Dies sei erforderlich, um sachgerecht auf ein verändertes Infektionsgeschehen im Herbst und Winter reagieren zu können. „Mit dem Infektionsschutzgesetz hat der Bund im letzten Jahr die meisten Befugnisse
in Sachen Corona-Schutzregelungen an sich gezogen. Da, wo wir es können, bereiten wir Länder uns zwar schon jetzt bestmöglich vor. Uns wurde aber der Instrumentenkasten genommen, um kurzfristig auf eine kritische Infektionsentwicklung zu reagieren“, kritisierte Laumann. Die derzeitige Lage zeige, wie schnell Änderungen auftreten können: „Dann müssen wir handlungsfähig sein.“Der Bund müsse das Infektionsschutzgesetz jetzt anpassen. Die FDP will erst die Bewertung des Expertenrates abwarten.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) drängt zur Eile: „Es darf sich nicht wie in den Vorjahren wiederholen, dass Bund und Land der Entwicklung des Infektionsgeschehens hinterherlaufen“, so der KV-Sprecher. „Bislang haben wir eine Rückkehr der Maskenpflicht in Innenräumen und in weiteren Bereichen des Alltags im Herbst für wahrscheinlich gehalten. Sollten die Infektionszahlen nun schon vorher weiter rapide steigen, könnte die Maskenpflicht auch schon frühzeitiger sinnvoll sein.“Dies gelte vor allem mit Blick auf die hohe Dunkelziffer an Infizierten, die keinen PCR-Test durchführen lassen und statistisch nicht erfasst werden.
Auch von der Ständigen Impfkommission (Stiko) wünscht sich NRW mehr Einsatz. Laumann erwartet eine klare Ansage der Stiko, wie es mit den Schutzimpfungen weitergehen soll. Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) per Twitter ganz grundsätzlich eine vierte Impfung empfehle, müsse auch die Stiko deutlich machen, bei wem sie das für sinnvoll halte. Bislang rät die Stiko nur für über 70-Jährige und Mitarbeiter in Kliniken und Pflege zu einer zweiten Booster-Impfung.
„Wir rechnen damit, dass die Stiko in naher Zukunft auch für die über 60-Jährigen eine vierte Impfung empfehlen wird“, so die KV. Patienten mit Grundleiden hätten aber die Möglichkeit, nach Rücksprache mit ihrem Haus- oder Facharzt eine vierte Impfung zu erhalten. Der Apothekerverband warnte davor, sich jetzt freiwillig zu infizieren. „Eine Infektion mit dem Coronavirus ersetzt keine Impfung. Infektionen bewusst in Kauf zu nehmen, birgt das Risiko, schwer zu erkranken – auch an Long Covid“, sagte Preis. Hohe Infektionszahlen erhöhten auch das Risiko für die Entstehung neuer Mutationen.