Schlappe für Bayer vor US-Gericht
Die Glyphosat-Krise lässt den Leverkusener Chemiekonzern nicht los: Das Unternehmen scheitert mit einem Berufungsverfahren vor dem Supreme Court. Die Aktie gibt nach.
WASHINGTON/DÜSSELDORF Die bösen Vorahnungen in Leverkusen haben sich bestätigt: Bayer ist mit seinem Berufungsverfahren in Sachen Glyphosat vor dem Obersten Gericht der USA gescheitert. Der Supreme Court teilte am Dienstag mit, den Antrag auf Revision von Bayer im Fall des kalifornischen Klägers Edwin Hardeman nicht anzunehmen. Die Entscheidung hatte sich bereits abgezeichnet, nachdem Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die US-Regierung vor dem Supreme Court vertritt, dem Gericht von der Annahme des Antrags abgeraten hatte. In der Regel folgt das oberste US-Gericht dieser Empfehlung. Hardeman waren zuvor 25 Millionen Dollar an Schadenersatz zugesprochen worden. Er macht Bayers Unkrautvernichter Roundup für seine Krebserkrankung verantwortlich.
Bayer zeigte sich enttäuscht: „Wir können die Ablehnung des Falls Hardeman durch den Supreme Court nicht nachvollziehen“, sagte ein Sprecher. „Die Entscheidung untergräbt die Verlässlichkeit von Regulierungsentscheidungen für Unternehmen, weil sie zulässt, dass jeder einzelne Bundesstaat der USA unterschiedliche Gebrauchshinweise verlangen kann. Das widerspricht klar dem Anspruch an Einheitlichkeit, den der US-Kongress in Gesetzesgrundlagen formuliert hat.“Dabei ging es um die Streitfrage, ob Bayer auf seinem glyphosathaltigen Mittel Roundup Anwender hätte warnen müssen. „Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist enttäuschend“, sagte auch Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment. „Im Falle eines Sieges hätte Bayer seine Rückstellungen auflösen können und eine deutlich bessere finanzielle Planungssicherheit gehabt.“Operativ laufe es gerade sehr gut bei Bayer.
Damit ist Bayers Versuch gescheitert, die Klagewelle durch einen Spruch des Supreme Court zu beenden. Nun muss der Konzern mit den anderen Elementen seines Fünf-Punkte-Plans weitermachen. So will er Krebspatienten, die eine Klage erwägen, die Teilnahme an einem Entschädigungsprogramm bieten. Das bedeutet für diese weniger Geld, aber eine schnellere Entschädigung. Für den Fall, dass das Oberste Gericht den Fall nicht annimmt oder im Sinne der Kläger urteilt, hatte Bayer bereits 2021 zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Insgesamt haben 138.000 Amerikaner Ansprüche gegen Bayer angemeldet, davon wurden 107.000 verglichen oder erfüllen nicht die Kriterien. Womöglich unternimmt der Konzern auch einen neuen Anlauf vor dem höchsten Gericht: „Diese Entscheidung beendet zwar den Fall Hardeman, es gibt aber weitere Fälle – auch zu Roundup –, in denen sich der Supreme Court mit Fragen des Vorrangs
von Bundesrecht und widersprüchlicher Rechtsprechung der Vorinstanzen beschäftigen kann“, so Bayer.
An der Börse kam die Nachricht aus den USA nicht gut an. Die Bayer-Aktie drehte ins Minus und verlor zeitweise über vier Prozent.
Um die Gefahr weiterer Klagen zu minimieren, will Bayer von 2023 an keine Glyphosat-Produkte mehr an Privatkunden in den USA verkaufen. Der Konzern hat 63 Milliarden Dollar für Monsanto gezahlt. Die Klagewelle könnte den Konzern weitere 15 Milliarden kosten: Für bisherige Klagen hat Bayer bis zu 9,6 Milliarden Dollar zurückgelegt, für künftige Klagen insgesamt 6,5 Milliarden.