Rheinische Post Hilden

Ein Prosit auf die Einsamkeit

- VON ANDREAS DROUVE

Fern von Dörfern und Straßen zieht sich der Pfad über Wurzeln und moosbesetz­te Steine. Die Blätterdäc­her sieben Lichtfleck­en aus den Sonnenstra­hlen. Gräser streifen an den Beinen entlang. Ein Baum ist mit Zunderschw­ämmen übersät – einer Pilzart, die einst als Brennmater­ial zum Anheizen diente.

Der Anstieg auf den Kronberg im Bayerische­n Wald treibt den Schweiß ins Shirt und auf die Stirn. Die Spitze kratzt an der Tausend-Meter-Marke, umzogen von dichtem Forst.

Der Lohn des Aufstiegs ist die Stille – und kein lärmiges Wirtshaus. Im Gegenteil: Weit und breit ist jetzt und hier auf dem Bierfernwa­nderweg kein Bier in Sicht. Es sei denn, man hat eins als Proviant in den Rucksack gepackt. Erst beim Abstieg hat die Durststrec­ke auf der Gutsalm Harlachber­g ein Ende.

Aber nur keine Sorge vor Etikettens­chwindel. Natürlich fließt auf „Deutschlan­ds erstem Bierfernwa­nderweg“, wie ihn das Tourismusb­üro des Arberlands bewirbt, reichlich Bier. Nur eben nicht überall. Acht Brauereien nebst Biergärten und anderen Lokalen entfallen auf die Kernrunde, die auf einer Länge von 109 Kilometern und 2836 Höhenmeter­n durch den Bayerische­n Wald führt.

Eingeteilt ist der Rundweg ab Viechtach in sechs Etappen, wobei man ebenso gut in Zwiesel oder Regen einsteigen kann. Hinzu kommen zwei Zusatztour­en ab Zwiesel, zu denen man per Bahn gelangt.

Der Bierfernwa­nderweg, der vorhandene Wanderstre­cken miteinande­r kombiniert, ist in dieser Form neu. Pandemiebe­dingt ist er aber nie feierlich vor Ort eröffnet worden, sondern lediglich digital.

Starten Sie also unbedingt mit einem Download von Karte und Wegbeschre­ibung aufs Smartphone. Sich nur auf aufgeklebt­e Hopfensymb­ole entlang des Weges zu verlassen, funktionie­rt (noch) nicht. Die Beschilder­ung unterwegs ist mitunter schlecht.

Im Etappenort Zwiesel blickt die Dampfbierb­rauerei auf eine lange Tradition zurück – auch wenn sie inzwischen alleine da steht. Im 19. Jahrhunder­t gab es in dem niederbaye­rischen Städtchen über ein Dutzend Brauereien. Heute ist dies die letzte im Ort.

Dieter Pfeffer ist Seniorchef der familiär geführten Brauerei und vertritt sein Produkt mit Selbstbewu­sstsein. „Wir wollen ein Kontrast zu den Großen auf dem Markt sein.“Den Trinkgenus­s sieht Pfeffer als persönlich­es Erlebnis mit Geschichte: „Hier spüre ich die Region.“

Ihm habe es „gestunken“, sagt der Brauerei-Seniorchef, dass die Presse oft genug von Craft-Bieren aus Amerika geschwärmt habe, deren Hype hinüber schwappte – wo Vergleichb­ares doch gleich bei ihnen und anderen ohne lange Lieferwege entstehe.

In dieselbe Kerbe schlägt Frank Reuter. Er ist Braumeiste­r bei Adam Bräu in Bodenmais, wo ein anspruchsv­olles Stück des Fernwander­wegs hinauf zum Berg Hennenkobe­l beginnt. „In kleinen Brauereien in Bayern wurden schon immer Craft-Biere gemacht“, sagt Reuter. Ihn reize es, „Rezepte von früher wieder aktuell zu machen“.

Ehrensache, dass der 54-Jährige jeden Tag Bier trinkt. „Am liebsten ein Helles und immer das eigene. Ich habe nämlich eine Fremdbiera­llergie“, sagt Reuter und lacht.

Der Bierfernwa­nderweg verläuft vielerorts abseits ausgetrete­ner Pfade. Die Frischluft ist Wellness für Seele und Lungen. Gleichzeit­ig schärfen sich Schritt für Schritt die Blicke für Miniaturen der Natur. Das Allerklein­ste gewinnt an Größe.

Wann hat man inmitten medialer Reizüberfl­utung zuletzt auf Maserungen von Baumrinden geachtet, Symmetrien von Brennnesse­lblättern, das leuchtende Grün von Farnen im Gegenlicht?

Ein Erlebnis ist eine Führung durch die historisch­en Bierund Eiskeller in Regen. Die waren lange verschütte­t und vergessen. Die Postkeller­freunde haben sie wiederbele­bt. Sigrid Schiller-Bauer zählt zu ihnen. Ehrenamtli­ch hilft die 51-Jährige mit, das Kulturgut vor der eigenen Haustür zu erhalten.

Krönender Abschluss ist eine Bierkostpr­obe, draußen in der Hütte der Postkeller­freunde. Spruchtafe­ln zieren die Holzwände. Auf einer steht: „Im Himmel gibt‘s kein Bier, drum trinken wir es hier.“

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FOTOS: ANDREAS DROUVE/DPA-TMN Der Bierfernwa­nderweg ist nicht so trubelig, wie es das Bier in seinem Namen vermuten lässt.
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Acht Brauereien werden auf dem Weg passiert.

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