Möchtegern-Spion gesteht vor Gericht
Ein 41-Jähriger hat eingeräumt, Informationen an türkische Geheimdienste geliefert zu haben. Er wurde im Herbst in einem Oberbilker Hotel festgenommen. Seine Motive sind – sollten sie stimmen – überraschend naiv.
DÜSSELDORF Eine Waffe und scharfe Munition, Listen mit Namen und Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung – was die Polizei im vergangenen September auf dem Hotelzimmer eines türkischen Gastes gefunden hat, schien eine eindeutige Sprache zu sprechen: Der 41-Jährige, der sich im Hotel „The niu tab“in Oberbilk einquartiert hatte, wirkte wie ein Spion. Seit September sitzt Ali D. in Untersuchungshaft, nun muss er sich vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf verantworten.
Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft: Ali D. soll Anhänger der Gülen-Bewegung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK für türkische Geheimdienste ausgespäht haben. Er sei türkisch nationaler Gesinnung und habe Informationen wie Namen, Fotos und Kennzeichen an Kontaktleute bei Nachrichtendiensten weitergeleitet. Zudem werden ihm Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last gelegt, er soll illegal eine Schreckschusspistole und Munition besessen haben. Alle Punkte der Anklage hat der jugendliche wirkende 41-Jährige in Jeansjacke bei der Verhandlung am Dienstag weitestgehend eingeräumt – und über seine Dolmetscherin Erklärungen geliefert, die überraschend naiv klingen, sollten sie denn stimmen.
Begonnen habe alles im August 2018. Damals habe Ali D. Informationen über einen Gülen-Anhänger an einen türkischen Geheimdienst übermittelt. Nicht jedoch wegen seiner Gesinnung, sondern aufgrund eines Liebesgeschichte. Ali D. sei zu dieser Zeit mit einer Frau liiert gewesen, die von ihrem Ex-Verlobten mit dem Tod bedroht worden sei, sagt er vor Gericht aus. Jenen Ex-Verlobten habe der Angeklagte dann als PKKMann denunziert. Die Informationen und den Kontakt habe er von seiner Freundin bekommen, erklärt er. Er habe sie schützen wollen.
Offenbar hatte Ali D. aber auch Interesse daran, selbst beim Geheimdienst zu arbeiten – und dadurch gewisse Vorteile zu genießen. Der Angeklagte berichtete, er habe in Ankara ein gut laufendes Hotel gekauft, sei dann aber von den Verkäufern unter Druck gesetzt worden. Immer wieder hätten sie ihm die Polizei auf den Hals gehetzt und ihn gezwungen, das Hotel wieder zu verkaufen. Dabei warte er immer noch auf das Geld. Von einer Betrugsanzeige habe ihm sein Anwalt abgeraten: Er sei an Leute mit Macht und Einfluss geraten. Also beschloss er, Spion zu werden.
„Eine Waffe, ein festes Einkommen und viele Möglichkeiten“habe er sich von einer Agententätigkeit versprochen. Er habe sich erhofft, als Agent auch die Schulden eintreiben zu können. „In der Türkei muss man Macht haben, sonst geht gar nichts“, sagt Ali D. Zudem wollte er in der Corona-Pandemie die Ausgangssperre umgehen, was ihm als Spion möglich gewesen wäre.
Einen Hotelgast, der sich als Offizier vorgestellt habe, habe er darum um Kontakte zum Geheimdienst gebeten und angedeutet, dass er als Spion arbeiten wolle. Doch Ali D. müsse sich erst beweisen, so die Antwort. Also habe der 41-Jährige Informationen über Personen der Gülen-Bewegung und der PKK gesammelt und handschriftlich notiert. Diese wurden später auch in dem Düsseldorfer Hotelzimmer gefunden. Weitergeleitet habe er einen Teil der Informationen nie, sagte der Angeklagte. Doch er wollte sie offenbar in der Hinterhand haben. Und das, obwohl er nach eigener Aussage in der Vergangenheit selbst bei der Gülen-Bewegung aktiv war, die dem türkischen Präsodenten Recep Tayyip Erdogan zufolge für den Putschversuch 2016 verantwortlich sein soll.
Auch für weitere Vorwürfe hat Ali D. ähnliche Erklärungen. So habe es ein Treffen mit einem vermeintlichen Kontaktmann nur gegeben, weil er sich dessen Auto leihen wollte. Das Schießen am Schießstand sei sein Hobby, die Munition habe er von einem Bekannten gekauft, weil sie dort günstiger gewesen sei. Den türkischen Konsul habe der Angeklagte im Urlaub zufällig am Pool kennengelernt, mit ihm Freundschaft geschlossen und sei daraufhin im Konsulat ein- und ausgegangen. Und den Hinweis an einen Bekannten, dass sie keine Informationen übers Telefon austauschen sollten, habe er sich aus einer Fernsehserie abgeschaut.
Ob sich der Angeklagte tatsächlich so ahnungslos als MöchtegernSpion betätigte, sollen die weiteren Prozesstage klären. Dem Geständnis war eine Absprache mit dem Gericht vorausgegangen. Der Senat hatte dem Mann im Gegenzug für das Geständnis eine Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren zugesagt.