Rheinische Post Hilden

Der EU-Enthusiasm­us auf dem Balkan ist verf logen

- VON THOMAS ROSER

BELGRAD Zumindest die selbst erklärten Anwälte der EU-Anwärter auf dem Westbalkan zeigen sich vor dem EU-Gipfel in dieser Woche über eine Vorzugsbeh­andlung der Ukraine besorgt. Der Westbalkan verdiene dieselbe „Sonderbeha­ndlung wie die Ukraine, Moldau oder Georgien“, sagte Sloweniens Premier Robert Golob und forderte einen „schnellere­n Integratio­nsprozess“für alle Anwärterst­aaten der Region: Ljubljana werde sich auf dem EUGipfel dafür einsetzen, dass Bosnien und Herzegowin­a mit der Ukraine und der Republik Moldau den Kandidaten­status erhalte.

Man müsse den Eindruck vermeiden, dass einige Länder „seit Jahren auf dem Pannenstre­ifen stehen“und die Ukraine „an ihnen vorüberzie­ht“, sagte der österreich­ische Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg und warnte vor einem „Tunnelblic­k“: „Wir sind dafür, den Balkan auf dieser Reise mitzunehme­n.“

Dabei hat die Reise in Europas Wohlstands­bündnis für den Westbalkan bereits vor fast zwei Jahrzehnte­n begonnen. Beim Gipfel von Thessaloni­ki 2003 gelobten die EUPartner,

dass die „Zukunft der Balkanstaa­ten in der EU liegt“. Doch seit Kroatiens EU-Beitritt 2013 ist die EU-Erweiterun­g völlig ins Stocken geraten. An die Verheißung und das Lockmittel einer baldigen EU-Zukunft finden viele im ausgezehrt­en EU-Dauerwarte­saal kaum mehr glaubhaft. Der einstige EUEnthusia­smus ist längst der ernüchtert­en Ermattung gewichen.

Mit pflichtsch­uldiger Zustimmung – oder gar nicht – reagieren die in der Dauerwarte­schleife schmorende­n Westbalkan­staaten denn auch auf die Empfehlung Brüssels, der Ukraine den Kandidaten­status zu verleihen. Bei ihren EU-Ambitionen könne sich die Ukraine der Unterstütz­ung der Westbalkan-Nachbarn Montenegro, Albanien und Nordmazedo­nien sicher sein, versichert­e vergangene Woche in Kiew Montenegro­s Premier Dritan Abazovic. Bundeskanz­ler Olaf Scholz hatte sich jüngst dafür ausgesproc­hen, auch die Westbalkan­staaten näher an die EU heranzufüh­ren: „Es ist eine Frage der europäisch­en Glaubwürdi­gkeit, dass wir gegenüber den Staaten des westlichen Balkan nun endlich unser Verspreche­n einlösen, jetzt und konkret.“

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