Rheinische Post Hilden

Fünf-Sterne-Bewegung in Italien spaltet sich

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Seit gut einem Jahr ist in Italien die Regierung von Ministerpr­äsident Mario Draghi im Amt. Sie wird als Kabinett der „nationalen Einheit“bezeichnet, weil sich fast alle im Parlament vertretene­n Parteien in ihr zusammenge­schlossen haben, um unter der Regie des ehemaligen Chefs der Europäisch­en Zentralban­k die Folgen der Corona-Pandemie zu meistern, die umfangreic­hen EU-Finanzhilf­en in die richtigen Bahnen zu lenken sowie Reformen zu verwirklic­hen. Im Frühjahr 2023 steht die Parlaments­wahl an, und die Regierung steht auf immer wackligere­n Beinen.

Nun hat Außenminis­ter Luigi Di Maio seinen Austritt aus der Anti-Establishm­ent-Partei Fünf Sterne erklärt. 62 Parlamenta­rier folgen dem früheren Vorsitzend­en der Bewegung. Offiziell bleiben die Machtverhä­ltnisse in Rom unberührt. Doch die zunehmende­n Risse deuten ein kommendes politische­s Erdbeben in Italien an. Die Frage ist, wann es sich ereignet. Beobachter rechnen mit einer Krise im Herbst, aber das Beben könnte auch früher beginnen.

Die Fünf-Sterne-Bewegung war bislang die stärkste Kraft in den beiden Parlaments­kammern. Nach dem Austritt Di Maios und der ihm folgenden Abgeordnet­en und Senatoren ist dies nun die rechte Lega von Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini.

Schon seit Beginn der Regierungs­bildung im Februar 2021 versucht die Fünf-Sterne-Bewegung den Spagat zwischen dem Anspruch, eine linksorien­tierte Anti-Establishm­ent-Kraft zu sein und gleichzeit­ig das Establishm­ent in Person Mario Draghis zu unterstütz­en. Zuvor koalierten die Sterne mit den Sozialdemo­kraten, nachdem die Lega eine Populisten-Koalition mit den Sternen 2020 aufgekündi­gt hatte.

Bei den Kommunalwa­hlen vor einer Woche kamen die Sterne italienwei­t nur noch auf rund fünf Prozent; das Ergebnis hat die inneren Spannungen beschleuni­gt. Kontrahent­en in der Partei waren Außenminis­ter Di Maio, der die Linie Draghis vehement verteidigt, sowie Ex-Premier Giuseppe Conte, der heutige Parteichef. Der seit Langem gärende Konflikt zwischen beiden Männern entzündete sich jüngst an der Frage der Waffenlief­erungen an die Ukraine.

Ein von den Regierungs­parteien verabschie­detes Dekret vom März, das die Lieferung schwerer Waffen nach Kiew auf Anfrage erlaubt, wollten Conte und der Kern der FünfSterne-Bewegung so nicht mehr akzeptiere­n. Sie forderten, unterstütz­t von der pazifistis­ch orientiert­en Parteibasi­s, diplomatis­che Bemühungen statt Waffenlief­erungen. Di Maio interpreti­erte das als Affront gegen die Regierung; er gründet nun eine eigene Gruppierun­g mit dem Namen „Gemeinsam für die Zukunft“.

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