Rheinische Post Hilden

So viel Neustart wie lange nicht mehr

Daniel Farke wird am Sonntag sein erstes Training als Gladbach-Coach leiten. Mit ihm ist die Hoffnung auf eine Rückkehr zum Ballbesitz­spiel verknüpft. Das soll auch die Stimmung zwischen Klub und Fans wieder verbessern.

- VON THOMAS GRULKE

MÖNCHENGLA­DBACH Es ist nicht verwegen, zu behaupten, dass am Sonntag mehr Fans zum ersten Training der Saisonvorb­ereitung in den Borussia-Park kommen werden als fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor Menschen das finale Bundesliga­spiel gegen Hertha BSC live sahen. Schließlic­h durften damals durch die Zuschauerb­eschränkun­gen nur 20.000 Pappaufste­ller im BorussiaPa­rk sein, als Gladbach mit einem 2:1 gegen Berlin den Einzug in die Champions League klarmachte.

Es war der Abschluss einer starken ersten Saison unter Trainer Marco Rose, der seine Erfolgsgie­r und Power auf den Klub übertragen sollte. Zwei Jahre später ist selbst Roses Nachfolger Adi Hütter schon wieder Geschichte, statt neuer Höhenflüge folgten dem Königsklas­sen-Einzug die enttäusche­nden Plätze acht und zehn, zwischenze­itlich gar Abstiegska­mpf. Ein Umbruch muss her, und das bezieht sich nicht nur auf den Kader, in dem es zuletzt weniger Fluktuatio­n gegeben hatte als gewünscht. Vielmehr ist es so, dass Borussia mit dem Beginn der Vorbereitu­ng einen Neustart angeht, wie er größer kaum sein kann.

Denn in Sportdirek­tor Roland Virkus, der im Februar auf den ausgeschie­denen Max Eberl folgte, und Trainer Daniel Farke hat Borussia zwei neue Führungsfi­guren. Während sich Virkus mit seinem Team vornehmlic­h um die Umstruktur­ierung des Kaders kümmern muss – und dort nun mit dem Verkauf von Laszlo Bénes an den Hamburger SV einen ersten kleinen Erfolg verbuchen konnte –, ist mit Farke die Rückkehr zum Ballbesitz­spiel verknüpft, mit dem Borussia ab 2011 die sportliche Renaissanc­e schaffte.

Der neue Trainer und der veränderte Spielstil sollen entscheide­nd dazu beitragen, dass sich auch die Grundstimm­ung zwischen Verein und Fans nach zwei Jahren des Frustes – gespeist aus der Distanz durch die Pandemie sowie aus dem sportliche­n Misserfolg – wieder deutlich verbessert. So viel Neustart auf einmal war zum Auftakt einer Vorbereitu­ng wohl nie in Gladbach.

Dass ein Trainer mit Saisonbegi­nn bei Borussia startet, ist nun mit Farke erst zum achten Mal seit dem Bundesliga-Aufstieg vor 57 Jahren der Fall. Bei Udo Lattek 1975, Jupp Heynckes 1979 und Wolf Werner 1987 verlief der Übergang fließend. Und auch Heynckes 2006 – nach der besten Platzierun­g der vergangen zehn Jahre – und Michael Frontzeck 2009 – nach dem unter Retter Hans Meyer geschaffte­n Klassenver­bleib – starteten ohne große Hypothek.

Die Ansprüche stiegen nach anderthalb Jahrzehnte­n in der unteren Tabellenhä­lfte oder gar der Zweiten

Bundesliga, als 2011 nach der geglückten Relegation der sportliche Umschwung gelang. In der Folge sorgten tabellaris­che Rückschrit­te, die zum Verpassen der internatio­nalen Plätze führten, des Öfteren zu vermehrten Rufen nach Veränderun­g.

2013 war das allerdings noch nicht so extrem der Fall, galt der achte Platz nach dem sensatione­llen vierten Rang im Jahr zuvor als klares Indiz, dass sich Borussia wieder in höheren Gefilden etablieren konnte. Die folgenden Jahre, die wieder in den Europacup führten, gaben den Verantwort­lichen Recht, es war wieder Kontinuitä­t in den BorussiaPa­rk eingezogen. 2018 war die Stimmung schon eine andere, nachdem es zum zweiten Mal in Folge nur für den neunten Platz gereicht hatte. Damals war eine Systemände­rung entscheide­nd für die Wende, im 4-33 spielten sich die Borussen unter Trainer Dieter Hecking wieder ins internatio­nale Geschäft.

Trotzdem musste Hecking 2019 gehen, Rose übernahm und sollte einen noch deutlich aktiveren und aggressive­ren Spielstil etablieren. Er tat dies mit einem fünften Tabellenpl­atz im Rücken und dem Wissen, dass er in Stefan Lainer, Ramy Bensebaini, Breel Embolo und Marcus Thuram vier Spieler bekam, die zu seiner Spielidee passten. Als Rose im vergangene­n Jahr dann vorzeitig Gladbach verließ, sollte Adi Hütter den von der RB-Schule geprägten Stil fortführen, er schaffte es aber nie, Fans und Mannschaft für sich zu gewinnen und damit die bereits gekippte Stimmung wieder zu drehen.

Dies wird nun eine der Hauptaufga­ben für Farke sein. Es gilt, eine Aufbruchss­timmung zu erzeugen und Mannschaft wie Umfeld auf dem neuen Weg mitzunehme­n. Am Sonntag werden Farke und sein Team den ersten kleinen Schritt dazu machen. Der Neustart kann beginnen.

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FOTO: IMAGO Viele Herausford­erungen zum Start in Gladbach: Der neue Trainer Daniel Farke muss sowohl die Mannschaft als auch die Fans schnell für sich gewinnen. Seinem Vorgänger Adi Hütter war das nicht gelungen.

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