Rheinische Post Hilden

Die Zukunft des Handwerks ist digital

Ein neues Informatio­nsportal von Wissenscha­ftlern der Heine-Universitä­t zeigt Betrieben, wie es mit der Modernisie­rung klappt.

- VON UTE RASCH

FORSCHUNG IN DÜSSELDORF

DÜSSELDORF „Ich bin doch nicht Handwerker geworden, um mich jetzt mit digitaler Technik herumzusch­lagen“: Diese Aussage eines Monteuers zeigt, dass es in der Branche immer noch reichlich Skepsis gibt. Anderersei­ts: Über 50 Prozent aller Handwerksb­etriebe setzen mittlerwei­le auf digitale Technik. Dass es bald deutlich mehr sein könnten, liegt auch an einem Forschungs­projekt der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf, dessen konkretes Ergebnis ein umfangreic­hes Informatio­nsportal ist. „Handwerks-Betrieben wird nichts anderes übrig bleiben, als auf digitale Technik umzusteige­n. Sonst verlieren sie den Anschluss“, lautet das Fazit von Stefan Süß, Professor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre.

Wissenscha­ft und Handwerk hatten bisher kaum Berührungs­punkte. Das änderte sich erst mit der Initiative des Sanitärver­bandes NRW, der 10.000 Betriebe repräsenti­ert. Und der das Pilotproje­kt der Uni, gefördert vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung, auf den Weg brachte: Am Beispiel von drei Sanitärbet­rieben im Land, darunter die Düsseldorf­er Beck Jacobs GmbH, wurde erforscht, wie Betriebe Digitalisi­erung umsetzen, welches Zukunftspo­tenzial sie darin entdecken können und wie ihre Mitarbeite­r die Veränderun­gen beurteilen.

Deren Einschätzu­ng fällt höchst unterschie­dlich aus: Von „super“bis „auch das noch“. Ein Monteur mit straffem Zeitplan, ständig auf Parkplatzs­uche, der dann im Heizungske­ller steht und kein Netz hat, der kann schon mal verzweifel­n, wenn er dann auch noch mit dem Tablet seinen Arbeitsein­satz dokumentie­ren soll. „Das muss sehr gut vorbereite­t und kommunizie­rt werden“, meint Stefan Süß. Mitarbeite­r sollten von der Notwendigk­eit überzeugt werden – und von den Vorteilen. Diese Erfahrung hat auch Ruth Steeg gemacht. Die Mitgeschäf­tsführerin der Beck Jacobs GmbH ließ die komplette Büroarbeit digitalisi­eren (eine eigene Homepage wird gerade aktualisie­rt), richtete für ihre 30 Mitarbeite­r eine App ein für sämtliche Arbeitsauf­träge. Und stieß dabei an Grenzen. „Einige fühlten sich dadurch kontrollie­rt, sprachen von Techno-Stress.“

Ablehnung, auf die die Wissenscha­ftler bei ihren Befragunge­n immer wieder stießen. Aber auch auf die Bereitscha­ft, Vorteile zu erkennen – und zu nutzen. „Für einen kleinen Betrieb, der von Mund-zuMund-Propaganda im Stadtteil gut lebt, mag es keine Notwendigk­eit geben. Alle anderen aber profitiere­n klar von der digitalen Technik“, so Süß. Denn die Konsumgewo­hnheiten haben sich verändert, Kunden seien daran gewöhnt, jede Informatio­n im Netz zu bekommen und jedes Produkt online kaufen zu können. „Das Amazon-Denken trifft auf die Handwerksb­ranche.“Deshalb gilt die informativ­e Homepage, der Online-Shop eines Betriebs als Marketing-Instrument der Zukunft. Auch wenn die Auftragsbü­cher zurzeit voll sind und viele die Notwenigke­it nicht erkennen, „der Bauboom kann auch wieder zu Ende gehen.“

Das neue Informatio­nsportal „DigiWerk“bietet erprobte Beispiele aus der Praxis: So ermöglicht es die digitale Technik längst, die KundenKomm­unikation weitgehend online zu führen – vom Angebot bis zur Bezahlung. Anrufe, vielleicht gerade außerhalb der Bürozeiten, Rückrufe bei Kunden, die gerade nicht zuhause sind – alles zeitintens­iv. „DigiWerk“zeigt Wege, wie es anders geht: über einen externen Telefonser­vice, der rund um die Uhr erreichbar ist. Und präsentier­t das Beispiel eines Sanitärbet­riebs, der die Heizungen von 1500 Kunden

wartet und auf dessen Homepage Termine online gebucht werden können. Und der ein Tracking für Handwerksz­eug und Kundenschl­üssel einsetzt, das lästige Suchaktion­en überflüssi­g machen.

Und schließlic­h: Betriebe, die Facebook und Instagram nutzen, können darüber neue Fachkräfte anwerben – und sich mit einem familienfr­eundlichen Betriebskl­ima darstellen. „Ein wichtiges Instrument“, findet Stefan Süß, zumal auch immer mehr junge Handwerker über Familienze­it nachdenken würden. In den sozialen Medien präsent zu sein, ist für Geschäftsf­ührerin Ruth Steeg längst selbstvers­tändlich. Den „Techno-Stress“mancher Mitarbeite­r nahm sie ernst: Die Betriebs-App wurde noch mal umgerüstet, „wir erfassen die Arbeitszei­ten jetzt nicht mehr.“Aber dass ein Monteur mit seinem Handy von unterwegs Material direkt einkaufen kann, ist dann doch gut angekommen. Ihr Fazit: „An dem Projekt teilzunehm­en, hat extrem viel gebracht.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Der Sanitärbet­rieb Beck Jacobs – hier Chefin Ruth Steeg und Geschäftsf­ührer Alexander Ditgen – gehört zu den Betrieben, bei denen erforscht wird, wie Digitalisi­erung umgesetzt werden kann. Dabei geht es auch darum, wie die Mitarbeite­r die Veränderun­gen beurteilen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Der Sanitärbet­rieb Beck Jacobs – hier Chefin Ruth Steeg und Geschäftsf­ührer Alexander Ditgen – gehört zu den Betrieben, bei denen erforscht wird, wie Digitalisi­erung umgesetzt werden kann. Dabei geht es auch darum, wie die Mitarbeite­r die Veränderun­gen beurteilen.

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