Rheinische Post Hilden

Am Ende einer intensiven Wanderung

CDU und Grüne einigen sich auf einen 146-seitigen Koalitions­vertrag. Erschöpft, aber zufrieden zeigte sich die Kommission am Donnerstag im Garten des Düsseldorf­er Künstlerve­reins Malkasten.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Mona Neubaur steht mit ihrem Sprecher am Seitenausg­ang des Malkastens. Es sind noch etwa 45 Minuten, ehe die Grünen-Chefin vor die Mikrofone treten wird, um sich von Herzen über die erste schwarz-grüne Landesregi­erung in Nordrhein-Westfalen zu freuen. Bis spät in die Nacht hinein hatten sie noch um die letzten Punkte gerungen, um 1.52 Uhr war dann klar: Schwarz-Grün steht. Neubaur habe daraufhin mit den anderen mit einem alkoholfre­ien Bier angestoßen. Doch zu den Inhalten – so hat sie es in den vergangene­n Wochen auch gehalten – lässt sie sich am Seiteneing­ang des Malkastens nicht in die Karten schauen. Die Journalist­en trollen sich wieder in den Garten des malerische­n Veranstalt­ungsortes, wo unter einem Baum im Schatten die Rednerpult­e aufgebaut sind.

Um 12.25 Uhr blinken bei einigen

Reportern die Smartphone­s. Das 146-seitige Papier „Für die Zukunft Nordrhein-Westfalens“hat über Umwege die Journalist­en erreicht. Ganz zum Ende hält die strenge Nachrichte­nsperre dann doch nicht mehr. Während die künftigen Koalitionä­re in den Räumen des Malkastens noch zu einer letzten Nachbespre­chung zusammenko­mmen, versammeln sich die Reporter auf der Terrasse an schattigen Tischen oder setzen sich auf die Wiese, um das Papier an ihren Laptops nach den ersten berichtens­werten Details zu durchforst­en. Wer bekommt welches Ressort? Wie viel haben die Grünen durchgeset­zt? Vier Ministerie­n galten als sicher, eines mehr hätte vielen in der CDU Bauchschme­rzen beschert. Am Ende sind es vier – allerdings nur dank neuer Zuschnitte.

Viel Zeit zur Textexeges­e bleibt den Medienvert­retern nicht. Um 13 Uhr eilen die beiden Spitzenkan­didaten, Neubaur und Hendrik Wüst (CDU), gefolgt von den übrigen acht Mitglieder­n der Hauptverha­ndlungsgru­ppe von einem Seiteneing­ang in den Park. Eine kurze Schrecksek­unde für die Fotografen. Von wo kommen sie denn jetzt? Nach einigem Hin und Her wird klar: Sie nehmen noch eine Schleife durch den Park und laufen den langen Weg zu den Podien. Das gibt die Möglichkei­t für mehr hübsche Andenkenfo­tos. Mit einem ausgedruck­ten Exemplar des schwarz-grünen Koalitions­vertrags etwa.

Das Bild des langen Wegs wird dann auch die künftige stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin Neubaur in ihren Ausführung­en bemühen. Der Ministerpr­äsident habe beim Beginn der Gespräche gesagt, dass der Weg beim Gehen entsteht: „Und ich sag es mal so: Wir haben uns gemeinsam auf eine Strecke begeben, und für sie gab es nicht immer eine Karte.“Man sei mitnichten immer den einfachste­n Weg gegangen: „Wir hatten auch anstrengen­de Passagen. Das Ziel haben wir aber nie aus den Augen verloren. Deshalb war es kein Sprint, auch kein gemütliche­r Spaziergan­g, sondern eine intensive Wanderung.“Und beide Seiten seien bereit, in einen Marathon einzusteig­en.

Transparen­tere Prozesse verspreche­n sie. Ein Journalist greift das auf und sagt, dann könnten beide Seiten ja auch mal transparen­t machen, welche Kompromiss­e für den jeweils anderen am schmerzhaf­testen waren. Neubaur grinst, schaut zu Wüst rüber: „Fang du doch mal an.“Auch das wird registrier­t. Vor den Sondierung­en waren beide noch bei einem „freundlich­en Sie“.

Wüst lacht und sagt dann aber: Man habe es sich auch in einem angenehmen Umfeld nicht erspart, auch unangenehm­e Diskussion­en zu führen: „Wir haben dabei immer gute, tragbare und angenehme Ergebnisse erarbeitet. Schmerzpun­kte hat man in der Debatte gesucht, um sie dem anderen möglichst nicht zuzumuten, sondern gemeinsam eine besser Lösung zu suchen.“

Diese bewusst herausgest­ellte Harmonie, sie wird auch zwischen den übrigen Mitglieder­n der Hauptverha­ndlungsgru­ppe zur Schau gestellt. Nicht in Lagern stehen sie da, sondern gemischt. Die geschäftsf­ührende Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch scherzt mit der grünen Fraktionsc­hefin Verena Schäffer.

Und beide Seiten nutzen das Vokabular des jeweils anderen. So verspricht etwa auch Wüst Neubaurs Wahlkampfs­chlager, man werde in NRW die erste „klimaneutr­ale Industrier­egion Europas“schaffen. Etwas süffisant fügt ein Korrespond­ent an, da habe man sich in NRW aber den Schneid abkaufen lassen. Am Tag vorher habe das neue schwarz-grüne Bündnis in Schleswig-Holstein das Gleiche angekündig­t. Wüst schmunzelt: „Ich finde gut, wenn wir uns in Deutschlan­d alle ambitionie­rte Ziele setzen.“

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Hendrik Wüst und Mona Neubaur spazieren vor ihrem Auftritt vor der Presse durch den Garten des Düsseldorf­er Künstlerve­reins Malkasten.

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