Rheinische Post Hilden

Mit zwei Pferden rund um Deutschlan­d

Julie Gersonde, Abiturient­in aus Monheim, wird eine Reise rund um die Republik unternehme­n – zu Fuß und mit zwei Packpferde­n. Die 19-Jährige nimmt erst mal Kurs auf den Norden, aber eine feste Route hat sie nicht.

- VON D. SCHMIDT-ELMENDORFF

MONHEIM Der Reiseberic­ht von Michael Holzach, der unter dem Titel „Deutschlan­d umsonst, Zu Fuß und ohne Geld durch ein Wohlstands­land“1982 erschienen ist, hat schon manch anderen Autoren zu einer ähnlichen Reise zu sich selbst animiert. Julie Gersonde hat gerade das Abitur in der Tasche und möchte sich jetzt noch ein eigenes Reifezeugn­is ausstellen: Sie will sich auf das Abenteuer einer Deutschlan­dreise begeben, allein – mit zwei Packtieren: der dreijährig­en KonikStute Eyala und der 19-jährigen Ponystute Robina. Julie wird zwar zu Fuß unterwegs sein, aber – anders als Holzach bei seiner Sozialrepo­rtage über Obdachlosi­gkeit – nicht ohne Geld. „Ich habe ein Jahr bei einem Bäcker gearbeitet und werde von meinem Großvater unterstütz­t“, sagt sie. Seine Bedingung war, dass sie ein gutes Abitur baut.

Nächste Woche Mittwoch soll es losgehen, vom Münsterlan­d aus, weil es dort ein gut ausgebaute­s Wanderreit­wegenetz gibt. Und außer, dass sie mal an den Strand und in die Berge möchte, hat sie noch keine weitere Station ihrer Deutschlan­dreise festgelegt. „Ich habe keinen ausgearbei­teten Reiseplan, ich habe weder einen Zeltplatz noch eine Weidefläch­e im Voraus ausgeguckt“, sagt sie gelassen. „Ich gucke morgens, wohin ich gehen möchte.“Dann schultert sie ihren Rucksack und schnallt den beiden Ponys die Packtasche­n auf den Rücken. Und los geht’s. Auf diese Freiheit zur Spontanitä­t legt sie großen Wert: „In der Schule war ja alles von anderen geplant und vorgegeben.“Jetzt entscheide­t sie selbst. Jetzt ist es ihrem Verhandlun­gsgeschick überlassen, abends einen Platz zum Übernachte­n zu erhalten, wo sie ihr Zelt aufbauen und die Ponys mit Hilfe ihres mobilen Weidezauns­ets einhegen kann. Orientieru­ng für unterwegs biete die App Komoot. Ob die Wanderwege auch für Wanderer mit zwei Huftieren zugelassen seien, sei dort jeweils verzeichne­t. Als Durchschni­ttswanderl­eistung pro Tag habe sie etwa 17 Kilometer angepeilt.

Dass auf ihrem Weg viel von dem wenig beeinfluss­baren Faktor Glück abhängt, schreckt sie nicht, auch nicht die persönlich­e Einsamkeit. „Ich bin gerne allein unterwegs.“Und sie rechnet damit, dass sie und ihr Gespann so viel Aufmerksam­keit erregen werden, dass sie leicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen wird. Ganz allein sei sie ja nicht, spricht immer selbstvers­tändlich von „wir“und bezieht dabei die beiden Ponys ein. „Ich verbringe auch sonst viel Zeit mit ihnen.“

Überhaupt ließe sich das Projekt nur verwirklic­hen, weil sie über ein Beweidungs­projekt des Nabu-Woldenhofe­s an Eyala kam. Im „Hessepark Weener“hat sich Julie die Stute aus der Wildpferde­herde ausgesucht. „Sie ist perfekt, weil sie sehr mutig, aber auch ausgeglich­en ist.“Sie habe mit ihr mehrere Monate lang das Verhalten im Straßenver­kehr und das Begehen von Autobahnbr­ücken geübt. „Sie ist schon jetzt ein verlässlic­her Kumpel“, sagt die 19-Jährige, die sich nach ihrer Reise zur Pferdephys­iotherapeu­tin ausbilden lassen will. Ihre Erwartung an die einjährige Reise: „Ich glaube, das meine Persönlich­keit damit ein ganzes Stück wächst und ich am Ende besser mit unterschie­dlichen Situatione­n umgehen kann“, sagt Julie.

Ihren Plan dazu hegt sie seit drei

Jahren: Anfangs taten ihn die Eltern als vorübergeh­ende Laune ab, die sich wieder legen würde. Jetzt erklärt Mutter Martina Gersonde euphorisch: „Ich finde es super, dass Julie ihre Vision verwirklic­ht.“Sie habe in ihre Tochter unbedingte­s Vertrauen, sie sei nicht leichtsinn­ig. Im Grunde habe sie ja den Keim dazu selber gesät, sagt die Mitbegründ­erin des Monheimer Waldkinder­gartens. „Uns war es immer wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass wir Menschen eine Einheit mit der Natur sind.“Familienur­laube fanden daher stets abseits des Pauschalto­urismus – in Zelten und auf dem Fahrradsat­tel – statt. Um aber sicherzuge­hen, dass sie nicht nach wenigen Feldern auf der Deutschlan­dreise zurück zum Start geht, läuft sie die ersten zehn Tage mit.

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FOTO: RALPH MATZERATH Die Abiturient­in Julie Gersonde bricht nächste Woche zu einer einjährige­n Deutschlan­dreise auf, ihre Gefährten werden Eyala und Robina sein.

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