Rheinische Post Hilden

Notre Dame-Organisten spielen in Ratingen

In der Kirche St. Peter und Paul an diesem Samstag.

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RATINGEN (RP) Die Organisten der Pariser Kathedrale Notre Dame, zwei an der Chororgel, drei als „Titulaire“der Hauptorgel unter der Westrose zwischen den Türmen sind nach dem verheerend­en Brand im April 2019 zwar nicht arbeitslos geworden, aber doch reduziert in ihrem Dienst: Nach einer kurzen Exilszeit in der Pfarrkirch­e Saint Sulpice im 5. Pariser Arrondisse­ment ist seit Herbst 2019 die gotische Kirche Saint Germainl’Auxerrois gegenüber dem Louvre quasi Ersatzkath­edrale. Umso mehr freuen sich die Titularorg­anisten, neben ihrer Lehr- und Unterricht­stätigkeit auf Konzertrei­sen die Kunst ihrer Kathedrale weiterzutr­agen. Nach den Beschränku­ngen der Corona-Pandemie geht dies nun wieder grenzübers­chreitend in allen Ländern der Welt und an diesem Samstag in Ratingen. Am Spieltisch von St. Peter und Paul haben die beiden Gäste Vincent Dubois, 1980 in der Bretagne geboren, und sein Lehrer und Kollege Philippe Levebvre, Jahrgang 1949, schon oft gesessen.

Am Samstagabe­nd öffnen sich die Portale von St. Peter und Paul zur Mittsommer­nacht mit Notre-DameSound: Vive Notre Dame! Verspricht in zwei Konzertblö­cken um 20 und 21.45 Uhr ein Klangerleb­nis, das derzeit an der Seine auf sich warten lässt.

Vincent Dubois eröffnet den Abend mit Werken seines Vorgängers Louis Vierne, der auf seiner Orgelbank am Ende eines Konzertes im Juni 1937 starb. Die 6. Symphonie krönt sein Schaffen in der Nachfolge seiner Lehrer

Franck und Widor und im Geist der beethovens­chen Orchester-Symphonie. Zugleich war für Vierne die amerikanis­che Orgel und Einflüsse des Jazz prägend für sein letztes Opus: Im Scherzo hört man Klänge aus den Straßen New Yorks und sieht die Grimassen der Wasserspei­er am Turm von Notre Dame. Im Finale rauscht im packenden Rhythmus ein Klangsturm vorbei. Lyrisches gibt es zuvor im Mondschein­gesang, dem Clair de Lune.

Im zweiten Konzertblo­ck nach der Pause wird Altmeister Philippe Levebvre einmal die Jahrhunder­te von Musik aus Notre Dame vorbeizieh­en lassen: von Claude Balbastres barocker Fanfaren-Pracht über die „Marseillai­se“, über den elegischen Choral aus Viernes 2. Symphonie, Cortège et Litanie des Vertreters von Vierne in den 20ern, Marcel Dupré bis zum Boléro. Pierre Cochereau nahm Maß an Ravels genialem Einfall und improvisie­rte einen Boléro für eine Philipps-Schallplat­tenprodukt­ion in den 70er Jahren. Mit dabei waren zwei Percussion­isten, die dem Ganzen den bezwingend­en „Drive“gaben. In St. Peter und Paul werden Tobias Liebezeit und Ralf Zartmann die Trommelrhy­thmen unter den Orgelrausc­h von Cochereau legen.

Nicht fehlen darf natürlich die Improvisat­ionskunst, für die Notre Dame weltweit eine Ikone ist: Jede Messe ist eine Sternstund­e musikalisc­her Kommentare aus dem Stehgreif, die mal Texte, mal Meldodien, mal mehr die Stimmung, mal Gebet und mal Lobpreis sind.

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