Rheinische Post Hilden

Liberales Abtreibung­srecht gekippt

Die einzelnen US-Bundesstaa­ten können jetzt Schwangers­chaftsabbr­üche verbieten.

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WASHINGTON (ap/epd) Nach Jahrzehnte­n des Protests haben USamerikan­ische Abtreibung­sgegner ihr großes Ziel erreicht: Das Oberste Gericht der USA hat am Freitag sein historisch­es Urteil von 1973 zur Legalisier­ung des Schwangers­chaftsabbr­uchs gekippt. Das als „Roe v. Wade“bekannte Urteil hatte Abtreibung­en bis zur unabhängig­en Lebensfähi­gkeit des Fötus legalisier­t, mit der Begründung, Schwangers­chaftsabbr­uch sei durch das Recht auf die Privatsphä­re gedeckt. Das Urteil vom Freitag widerspric­ht dieser Auffassung. In dem Richterspr­uch mit sechs zu drei Stimmen hieß es, es gebe in der Verfassung kein Recht auf Schwangers­chaftsabbr­uch. Die Entscheidu­ng über Abtreibung liege bei den Bürgern und gewählten Volksvertr­etern.

Nun bereiten sich Gegner und Befürworte­r auf das Zurückdreh­en der Uhren um ein halbes Jahrhunder­t vor. Abtreibung­sgesetze liegen künftig in den Händen der 50 Bundesstaa­ten. Etwa die Hälfte werde Abtreibung verbieten oder stark einschränk­en, erwarten Organisati­onen für Familienpl­anung. Mehrere republikan­isch regierte Staaten haben bereits weitreiche­nde Verbote beschlosse­n. Sie sehen nicht die Bestrafung der Frauen vor, die ihre Schwangers­chaft beenden, sondern des medizinisc­hen Personals. Texas verbietet Abtreibung nach der sechsten Schwangers­chaftswoch­e.

In Oklahoma wurde Abtreibung „vom Augenblick der Empfängnis“verboten. 13 Staaten haben sogenannte Auslöserge­setze, denen zufolge weitreiche­nde Verbote automatisc­h in Kraft treten, sollte „Roe v. Wade“aufgehoben werden.

Demokratis­ch regierte Staaten wie Kalifornie­n und New York wollen das Recht auf Schwangers­chaftsabbr­uch bewahren. In manchen bereiten sich Kliniken auf einen Andrang von außerhalb vor. Unklar bleibt der rechtliche Umgang mit Abtreibung­spillen. Nach einer Reform der Regierung von US-Präsident Joe Biden dürfen sie jetzt per Post verschickt werden und müssen nicht mehr abgeholt werden. Biden selbst erklärte, die Entscheidu­ng zum Abtreibung­srecht werfe das Land um 150 Jahre zurück. Sie sei ein „tragischer Fehler“. Ex-Präsident

Donald Trump lobte sie hingegen als „Gewinn für das Leben“.

Laut Umfragen sind die US-Amerikaner­innen und Amerikaner bei der Abtreibung­sfrage gespalten. Absolute Verbote oder absolute Freigabe werden skeptisch gesehen.

Nach Angaben des renommiert­en Guttmacher-Instituts sind 2020 in den USA 930.160 Abreibunge­n vorgenomme­n worden, acht Prozent mehr als 2017. Die Zunahme folge einem graduellen Rückgang der Abtreibung­szahlen seit Anfang der 1990er-Jahre, hieß es. Etwa eine von fünf Schwangers­chaften werde mit einer Abtreibung beendet.

Manche Kritiker befürchten, mit der Logik des Urteils würden republikan­ische Politiker weitere Urteile des Obersten Gerichts anfechten, etwa das von 2015 zur Anerkennun­g der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe.

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FOTO:ASTEVEAHEL­BER/DPA Eine Gruppe Abtreibung­sgegner feiert vor dem Gebäude des Obersten Gerichtsho­fs der USA in Washington.

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