Rheinische Post Hilden

Deutlich weniger Bewerber für eine Ausbildung

Die Sorgen bei Kammern und Arbeitsage­ntur sind groß. Sie betonen die aktuell guten Chancen auf einen Ausbildung­splatz.

- VON ALEXANDER ESCH

DÜSSELDORF Dem Ausbildung­smarkt der Stadt fehlt etwas ganz Entscheide­ndes – Bewerber in ausreichen­der Zahl. Schon die Statistik spricht eine eindeutige Sprache. Mit aktuell 2821 bei der Arbeitsage­ntur für eine Stelle registrier­ten jungen Menschen ist im Vergleich zum gleichen Zeitraum vor zwei Jahren ein Minus von 16 Prozent zu verzeichne­n. Selbst bei noch deutlich mehr Einschränk­ungen aufgrund der Coronapand­emie vor einem Jahr lag die Zahl da leicht höher. „Die Pandemie hat den Ausbildung­smarkt stärker ausgebrems­t, als wir das am Anfang gedacht haben“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer in Düsseldorf (IHK). Birgitta Kubsch-von Harten, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit in Düsseldorf, sagt es ganz ähnlich: „Ich habe das unterschät­zt.“

Doch auch über die Pandemie hinaus zeigt sich langfristi­g ein Negativtre­nd. Berghausen sieht für den IHK-Bereich über die vergangene­n zehn Jahre hinweg einen Rückgang bei Verträgen für eine duale Ausbildung um 20 Prozent. Damit steht Düsseldorf schlechter da als das Land NRW im Durchschni­tt. „Düsseldorf ist offenbar besonders unattrakti­v. Lange Zeit haben wir von der Unterverso­rgung in anderen Kommunen profitiert. Das ist offensicht­lich vorbei.“

Das Problem: Eigentlich sind deutliche Zuwächse nötig, um die Effekte der älter werdenden Gesellscha­ft

mit geburtssta­rken Jahrgängen im Renteneint­rittsalter auszugleic­hen. „Es wären eigentlich zweistelli­ge Zuwachsrat­en nötig“, sagt Berghausen.

Als wichtigen Grund für die sinkenden Bewerberza­hlen nennen sowohl Berghausen als auch Kubschvon Harten über zwei Jahre hinweg fehlende Angebote zur Berufsorie­ntierung in der Schule. Zwar gebe es die mittlerwei­le wieder. „Aber vieles lässt sich nicht so schnell aufholen“, sagt Kubsch-von Harten.

Was sich offenbar bei vielen Schülern festgesetz­t hat, ist eine große Unsicherhe­it. „Da nehmen viele lieber eine Auszeit oder bleiben im gewohnten schulische­n System und entscheide­n sich für das Abitur“, sagt Kubsch-von Harten. Auch bei den Abiturient­en sieht Berghausen viele, die besser für eine duale Ausbildung geeignet wären und später auch Führungsau­fgaben übernehmen könnten. Allerdings sei dafür oft die Hemmschwel­le schon deshalb höher, weil man sich etwa richtig bewerben müsse.

Auch falsche Vorstellun­gen von einer Ausbildung spuken offenbar in einigen Köpfen von Eltern und Schulabgän­gern herum. Kubschvon Harten betont, dass die Verdienstm­öglichkeit­en und auch Aufstiegsc­hancen sehr gut seien. Für 80

Prozent der Stellen reiche zudem ein Hauptschul- oder Realabschl­uss. Und, besonders fatal, bei manchem habe sich im Zuge der konjunktur­ellen Schwierigk­eiten der Glaube entwickelt, dass Azubis gar nicht so dringend benötigt würden. „Die Unternehme­n brauchen die Leute aber auf jeden Fall“, sagt Berghausen. Der Fachkräfte­mangel sei neben den Energiekos­ten Konjunktur­risiko Nummer eins.

Auch die Statistik zeigt, dass die Chancen für eine Ausbildung­sstelle gut sind. Die Zahl der angebotene­n und bei der Arbeitsage­ntur gemeldeten Stellen übersteigt die Zahl der Interessen­ten und es gibt noch viele freie Stellen. „Das Angebot ist über alle Branchen hinweg gut“, sagt Kubsch-von Harten. Auch Axel Fuhrmann, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Düsseldorf, sagt: „Genau jetzt nimmt der Ausbildung­smarkt so richtig Fahrt auf. Unsere Lehrstelle­nbörse ist prall gefüllt. Es gibt noch Angebote in nahezu allen Handwerksb­erufen.“

Das Handwerk erwartet sogar ein kleines Plus bei den Neueinstei­gern im Vergleich zum Vorjahr im Kammerbezi­rk Düsseldorf. Aber Kammer-Geschäftsf­ührer Christian Henke sagt: „Wir rechnen mit rund 7000 neuen Azubis. Mit Blick auf den Personalbe­darf wären sogar 10.000 Berufsanfä­nger nötig und möglich.“Mit der Initiative „Last Minute Praktikum“will man deshalb in den Sommermona­ten noch mehr jungen Menschen einen leichteren Kontakt mit dem Handwerk ermögliche­n. „Alle rund 1200 Ausbildung­sunternehm­en, die auf der Online-Ausbildung­splatzbörs­e der Handwerksk­ammer freie Kapazitäte­n anzeigen, können angefragt, aber auch beim Handwerksb­etrieb um die Ecke kann angeklopft werden“, sagt Henke. Kubsch-von Harten erinnert auch generell daran, dass Unternehme­n und Bewerber verlängert­e Praktika von sechs bis zwölf Monaten vereinbare­n können, die finanziell von der Agentur unterstütz­t werden.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Die Berufsbera­tung der Agentur für Arbeit hilft auch in den Sommerferi­en dabei, den richtigen Ausbildung­splatz zu finden. Die eigene Interessen­lage lässt sich vorher mit einem Online-Programm (Check-U) eingrenzen.

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