Äußerste Eskalationsstufe
Rock-Ikone Iggy Pop fasziniert die Zuschauer in der Mitsubishi-Electric-Halle.
DÜSSELDORF Ein typisches Gespräch über Iggy Pop in diesen Tagen: „Eigentlich dachte ich schon vor zehn Jahren, wenn ich eine Konzertankündigung von ihm las: Ach, der lebt noch?“–„Ja, aber er soll mittlerweile sogar sehr gesund leben!“
Wenn die amerikanische Punkund Rock-Ikone nach drei Songs das Publikum in der Mitsubishi-Electric-Halle komplett zum Ausrasten bringt, dann tippt man noch mal ungläubig diese Frage ins Smartphone: „Wie alt ist Iggy Pop?“75 ist er im April dieses Jahres geworden – und schon weitaus jüngeren Menschen würde man solch ein Energielevel eigentlich kaum noch zutrauen.
Zur Einstimmung läuft in der Halle minimalistische Streichermusik. Der Kontrast zum Auftritt Iggy Pops mit siebenköpfiger Band hätte also kaum größer sein können: Mit zwei Songs aus seinem Solowerk startet die Show mit maximaler Kraft. Ein monotoner Maschinen-Sound der E-Gitarren und ein exaktes, bretthartes Schlagzeug treiben „Five Foot One“und „Loves Missing“, bei dem der Sänger mehr spricht als singt, nach vorne. Er macht dabei schon ordentlich Meter, humpelt mit seinem verkürzten Bein und dem schon nach wenigen Minuten nackten Oberkörper von einer Bühnenseite zur anderen, traktiert sein Mikrofon oder steckt es in die Hose, wirft den Ständer umher – und greift zur äußersten Eskalationsstufe.
Das Konzert ist kaum zehn Minuten alt, da reißt Iggy Pop die vierte Wand ein und lädt zum ersten Song seiner legendären Band The Stooges das Publikum auf die Bühne. Bald stehen dort gefühlt so viele Menschen wie unten im Saal (die Bestuhlung war sowieso nach dem ersten Ton vergessen). Sie feiern, tanzen, grölen und machen Selfies mit ihrem Star zu „T. V. Eye“.
Erstaunlich gesittet verlassen die Fans die Bühne nach diesem unglaublichen Party-Moment wieder. Es folgen Solo-Hits wie „Lust For Life“oder „The Passenger“und Stücke wie „Gimme Danger“oder „Search and Destroy“der Stooges, die so früh schon Punk gemacht haben, Ende der 1960er-Jahre nämlich, dass es kaum jemand verstanden hat. Erst die Geschichte zeigte, wie visionär und einflussreich der Sound der Band gewesen ist.
In kurzen Zwischenansagen zeigt Iggy Pop seine Haltung: „Wir müssen alle irgendwann sterben, lasst uns etwas Spaß damit haben“, moderiert er den Song „Death Trip“an, bei dem sich die Bläsersektion erstaunlich gut mit den Rockgitarren verbindet. Und dann offenbart er plötzlich Düsseldorf-Liebe: „Jetzt spielen wir ein Stück einer Düsseldorfer Band – verdammt noch mal eine Heldin, Baby!“Was folgt, ist ein kongeniales Cover von „Hero“, einem Stück der Krautrock-Helden Neu! von 1975. Ein schöneres Geschenk hätte der 75-Jährige seinem Publikum wohl kaum machen können.