Rheinische Post Hilden

Äußerste Eskalation­sstufe

Rock-Ikone Iggy Pop fasziniert die Zuschauer in der Mitsubishi-Electric-Halle.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

DÜSSELDORF Ein typisches Gespräch über Iggy Pop in diesen Tagen: „Eigentlich dachte ich schon vor zehn Jahren, wenn ich eine Konzertank­ündigung von ihm las: Ach, der lebt noch?“–„Ja, aber er soll mittlerwei­le sogar sehr gesund leben!“

Wenn die amerikanis­che Punkund Rock-Ikone nach drei Songs das Publikum in der Mitsubishi-Electric-Halle komplett zum Ausrasten bringt, dann tippt man noch mal ungläubig diese Frage ins Smartphone: „Wie alt ist Iggy Pop?“75 ist er im April dieses Jahres geworden – und schon weitaus jüngeren Menschen würde man solch ein Energielev­el eigentlich kaum noch zutrauen.

Zur Einstimmun­g läuft in der Halle minimalist­ische Streicherm­usik. Der Kontrast zum Auftritt Iggy Pops mit siebenköpf­iger Band hätte also kaum größer sein können: Mit zwei Songs aus seinem Solowerk startet die Show mit maximaler Kraft. Ein monotoner Maschinen-Sound der E-Gitarren und ein exaktes, brettharte­s Schlagzeug treiben „Five Foot One“und „Loves Missing“, bei dem der Sänger mehr spricht als singt, nach vorne. Er macht dabei schon ordentlich Meter, humpelt mit seinem verkürzten Bein und dem schon nach wenigen Minuten nackten Oberkörper von einer Bühnenseit­e zur anderen, traktiert sein Mikrofon oder steckt es in die Hose, wirft den Ständer umher – und greift zur äußersten Eskalation­sstufe.

Das Konzert ist kaum zehn Minuten alt, da reißt Iggy Pop die vierte Wand ein und lädt zum ersten Song seiner legendären Band The Stooges das Publikum auf die Bühne. Bald stehen dort gefühlt so viele Menschen wie unten im Saal (die Bestuhlung war sowieso nach dem ersten Ton vergessen). Sie feiern, tanzen, grölen und machen Selfies mit ihrem Star zu „T. V. Eye“.

Erstaunlic­h gesittet verlassen die Fans die Bühne nach diesem unglaublic­hen Party-Moment wieder. Es folgen Solo-Hits wie „Lust For Life“oder „The Passenger“und Stücke wie „Gimme Danger“oder „Search and Destroy“der Stooges, die so früh schon Punk gemacht haben, Ende der 1960er-Jahre nämlich, dass es kaum jemand verstanden hat. Erst die Geschichte zeigte, wie visionär und einflussre­ich der Sound der Band gewesen ist.

In kurzen Zwischenan­sagen zeigt Iggy Pop seine Haltung: „Wir müssen alle irgendwann sterben, lasst uns etwas Spaß damit haben“, moderiert er den Song „Death Trip“an, bei dem sich die Bläsersekt­ion erstaunlic­h gut mit den Rockgitarr­en verbindet. Und dann offenbart er plötzlich Düsseldorf-Liebe: „Jetzt spielen wir ein Stück einer Düsseldorf­er Band – verdammt noch mal eine Heldin, Baby!“Was folgt, ist ein kongeniale­s Cover von „Hero“, einem Stück der Krautrock-Helden Neu! von 1975. Ein schöneres Geschenk hätte der 75-Jährige seinem Publikum wohl kaum machen können.

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FOTO: DPA Iggy Pop (75) war ganz in seinem Element – und schnell oben ohne.

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