Rheinische Post Hilden

Endlich wieder zu Hause

Nach dem Tour-Auftakt in Köln spielten die Toten Hosen um Sänger Campino, der gerade 60 geworden ist, zweimal in der ausverkauf­ten Düsseldorf­er Arena. Von einem Heimspiel, das nur Gewinner kennt.

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Zentimeter aus ihrer Umlaufbahn geschoben.

Dieses Konzert der Toten Hosen ist nicht nur „endlich mal kein Auswärtssp­iel“, wie der Frontmann zu Beginn ruft. Es ist das Heimspiel aller Heimspiele, die Füße der Musiker stehen auf heiligem Boden, wenn sie im Fortuna-Stadion die Lieder spielen, mit denen hier alle groß geworden sind. Songs, mit denen sie Zusammenge­hören verbinden, zu denen sie als Jugendlich­e am Lagerfeuer gegrölt haben und die vielleicht sogar auf ihrer Hochzeit liefen. Wenn bei „Tage wie diese“die Stelle mit den Rheinterra­ssen kommt, spürt man, dass die nicht weit sind, dass die Magie der Musik hier direkt aus der Quelle strömt.

Der 76. Auftritt in Düsseldorf ist es, erzählt Campino, den er und die Jungs an diesem Sommertag feiern. 1982 sei das erste Mal gewesen, unter der Oberkassel­er Brücke. Nirgends habe man die Band spielen lassen wollen, deshalb habe man einfach einen Generator mitgebrach­t und losgerockt. 50 Leute seien damals da gewesen, maximal. Ob jemand der Anwesenden dabei war? Tatsächlic­h reckt sich hier und da im Publikum ein Arm in die Höhe.

Gefühlt waren ja alle dabei, haben die Band die ganzen 40 Jahre begleitet, und alle sind gemeint, wenn Campino „Freunde“singt. Das ist eines der Lieder wie „Weil Du nur einmal lebst“oder „Wünsch dir was“, bei denen nicht durchgehen­d gepogt wird, wo nicht permanent Bengalos brennen und keine halbvollen Bierbecher über die Zuschauerr­eihen fliegen. Da sind die Arme oben, aber es gibt auch viele, die einfach dastehen und träumen. Den Blick schweifen lassen im Glühwürmch­en-Meer aus hochgehalt­enen Handys mit angeschalt­eten Lichtern. Die sich erinnern, wie schön es mal war, früher. Und spüren, wie schön es auch gerade jetzt ist, an diesem lauen Abend, mit der Musik, mit all den anderen.

Doch so melancholi­sch die Liedtexte oft auch stimmen, so schnell steht die Nadel dann auch wieder auf Spaß: „Halbstark“, einer der Höhepunkte des Abends, an dem auch das ältere Paar in der Nähe einen kleinen Rockabilly-Tanz hinlegt. „Opel-Gang“und „Verschwend­e deine Zeit“lassen die Menge kreisen, die Leute singen die „Ooohooohs“im ganz großen Chor. Am besten ist, wenn Campino einen Song mit besonders viel Tiefe ankündigt, über den man noch auf dem Nachhausew­eg nachdenken könne, und dann kommt „Zehn kleine Jägermeist­er“(in dem das tödliche Steak statt „Rinderwahn“neuerdings „Corona“enthält). Oder wenn

Teams auf die Bühne. „112“, einen brandneuen Song, den die Gruppe der Düsseldorf­er Feuerwehr gewidmet hat, singt Campino in der feuerfeste­n Jacke mit Toten-HosenEmble­m auf dem Rücken, die er geschenkt bekommen habe („mein ganzer Stolz“). Stolz dürfte Campino auch gewesen sein, als ihm beim zweiten Konzert am Samstag hohe Prominenz nachträgli­ch zum 60. gratuliert­e: Neben dem Rostocker Rapper Marteria standen plötzlich auch Die Ärzte mit im Rampenlich­t, spielten mit – und ließen es gut sein mit der fast schon legendären Konkurrenz der zwei großen deutschen Punk-Bands.

Wie jedes Konzert der Toten Hosen ist dann auch dieses im letzten Drittel eigentlich eine einzige große Zugabe. Gefühlte 38 Mal lassen sich Breiti, Kuddel, Vom, Andi und Campino wieder auf die Bühne zurückjube­ln, der Applaus wird mit jedem Mal lauter – und natürlich werden alle, die noch da sind, mit „You‘ll Never Walk Alone“belohnt. Ein Heimspiel, das nur Gewinner kennt.

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FOTO: ANNE ORTHEN

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