Als der Eintritt ins Waldbad 3000 Mark kostete
Eigentlich sollte das Hildener Freibad an einer ganz anderen Stelle errichtet werden und KaiserWilhelm-Bad heißen. Doch dann kam der Erste Weltkrieg. Im kommenden Jahr feiert das Waldbad 100. Geburtstag. Wir haben sieben Fakten zusammengestellt, die Sie s
1) Anderer Standort Das Hildener Freibad sollte ursprünglich an einer völlig anderen Stelle gebaut werden. 1904 richtete die Stadt eine sechsköpfige Badeanstalt-Kommission ein. Sie sollte eine öffentliche Warmbadeanstalt vorbereiten. Das dauerte seine Zeit. Am 27. Februar 1906 bewilligte der Stadtrat aus Anlass der Silberhochzeit des Kaiserpaares
die Summe von 10.000 Reichsmark als Grundstock für eine städtische Badeanstalt. Sieben Jahre später entschieden sich die Stadtverordneten dazu, das städtische Grundstück zwischen Schul- und Klotzstraße für das künftige „Kaiser-Wilhelm-Bad“zur Verfügung zu stellen. Die Planungen liefen bereits. Doch der Erste Weltkrieg 1914 machte alle Pläne zunichte. Auf dem Grundstück wurde später das heutige „Haus der Jugend“gebaut.
2) 99 Jahre alt Bürgermeister Erich Lerch (1920-1933) eröffnete am 14. Juli 1923 ein „Naturbad“an der Elberfelder Straße, Vorläufer des heutigen Waldbades. „Luft, Licht, Wasser und Wald vereinen sich hier auf wunderbare Weise“, schwärmte Lerch bei der Eröffnung. Die Zeiten waren damals für die Menschen alles andere als einfach. Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren. Im benachbarten Barmen besetzten französische Soldaten im Morgengrauen Bahnhöfe, Rathaus und Banken. Das Waldbad war eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Rahmen der „Erwerbslosenfürsorge“. Turninspektor Lichtentäler ließ die Gäste der Eröffnungsfeier 1923 lange in der Hitze schmoren. Denn er hielt einen „tiefschürfenden“Vortrag über die Entwicklung des Badewesens
– und begann bei den orientalischen Völkern, den Griechen und Römern. Auch Karl der Große sei ein vorzüglicher Schwimmer gewesen. Es dauerte, bis Lichtentäler endlich zum Ende kam: „Möge das Hildener Naturbad ein Brunnquell heiteren und gesunden Lebens sein!“
3) 3000 Mark Eintritt. Die Inflation hatte das Land im Griff, der Eintritt betrug am Eröffnungstag 3000 Mark. Für die Benutzung der Umkleiden mussten weitere 3000 Mark bezahlt werden – pro Stunde, wohlgemerkt. In diesem Jahr haben die Stadtwerke die Eintrittspreise angepasst. Erwachsene zahlen 4,70 Euro, Kinder ab vier Jahren 3,20 Euro.
4) Neustart Am 6. März 1974 fasste der Hildener Stadtrat den Beschluss, das Waldbad für stolze 7,3 Millionen Mark neu zu bauen. Am 30. April 1977 konnte das Freibad wiedereröffnet werden. Bürgermeisterin Ellen Wiederhold begrüßte unter den 2000 Gästen
Kollegen aus Solingen und Monheim. Beifall bekam aber auch Vermessungsdirektor Franz-Georg Brieden, der den allerersten wagemutigen Sprung vom Zehn-MeterTurm wagte.
5) Besucherzahlen 2015 kamen mehr als 100.000 Gäste – das ist das eigentlich erwünschte Jahresziel. Aber beileibe nicht immer zu schaffen: 2014 war zum Beispiel ein ganz schlechtes Jahr. Da kamen nur 78.714 Besucher. Damals hat aber noch niemand an eine Pandemie gedacht, wie sie uns 2020 überrollte. Das Waldbad konnte nur unter strengen Schutzmaßnahmen öffnen. Beispielsweise durften nur eine bestimmte Zahl an Gästen schwimmen gehen. Es gab zwei Zeitfenster, die Stunde Pause dazwischen nutzen die Mitarbeiter, um das Waldbad zu reinigen und einige Bereiche zu desinfizieren. Die Besucherzahlen sackten auf rund 49.000 im Jahr 2020 und 56.000 in der Saison 2021. Der besucherstärkste Tag im Jahr 2022 war bislang Samstag, 18. Juni, mit 6100 Gästen. Die Mitarbeiter mussten zeitweise den Einlass stoppen.
6) Verlustgeschäft Das Waldbad und auch das Hildorado machen jedes Jahr jeweils rund eine Million Euro Verlust. Deshalb hat der Stadtrat die beiden Bäder den Stadtwerken Hilden übertragen. Sie können Gewinne aus dem Verkauf von Strom und Gas steuermindernd mit Verlusten verrechnen. Durch die Corona-Krise und die zusätzlichen Maßnahmen im Bad (unter anderem externer Sicherheitsdienst, Besucherlimit) mussten die Stadtwerke in den beiden vergangenen Jahren deutlich mehr Geld pro Gast in die Hand nehmen. Diese Zusatzausgaben wurden offiziell nicht kommuniziert. Daher ein Blick in die Nachbarschaft: So rechnet das mit dem Waldbad vergleichbare Ratinger Freibad mit Zusatzkosten in Höhe von 800.000 Euro. Bei einem Verlust von rund einer Million Euro in normalen Jahren summiert sich der Ausfall für die Hildener Stadtwerke so theoretisch auf 1,8 Millionen Euro – und der Pro-Kopf-Zuschuss lag 2020 damit bei mehr als 36 Euro.
7) Energiesparen Einen Neoprenanzug benötigen die Schwimmer im Waldbad noch nicht – das Wasser wird in den meisten Becken weiterhin aufgeheizt. Aber eben nicht mehr so viel. Die Gäste müssen mit ein bis zwei Grad weniger zurechtkommen. „Pro Grad Celsius können rund sechs Prozent Energie gespart werden“, erklärt Stadtwerke-Sprecherin Sabine Müller. Das Unternehmen wolle neben einer Reduktion der Energiekosten auch zum Aufruf der Bundesregierung zum Energiesparen beitragen. Das Schwimmerbecken hat laut Stadtwerke nun eine Temperatur von 23 Grad, das Nichtschwimmerbecken von 24 Grad. Das Springerbecken ist ohnehin nicht beheizt.
Tobias Dupke