Rheinische Post Hilden

Ein entschloss­ener Kurs

Die Bedrohung durch Rechtsextr­emisten nimmt zu. Der Krieg in der Ukraine hat Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen. All das fällt in die Zuständigk­eit von Innenminis­terin Nancy Faeser. Die Aufgaben sind gewaltig.

- VON JANA WOLF

Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) steht derzeit nicht im Rampenlich­t der Regierungs­arbeit. Es gibt andere, auf die mehr Blicke gerichtet sind. Und dennoch warten in der Innenpolit­ik enorme Herausford­erungen, bei denen Faeser in der Pflicht steht.

Kampf gegen Rechts Faeser lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Rechtsextr­emismus als größte extremisti­sche Bedrohung für die Demokratie sieht. Die rechtsextr­emistisch motivierte­n Gewalttate­n nehmen zu, auch das zugrunde liegende Gedankengu­t verbreitet sich. Einblick in die Gefahrenla­ge gaben die jüngsten Schläge gegen Gruppen, die etwa die Entführung von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach planten, gewaltsame Umsturzplä­ne hegten, bei Drogenhand­el, Prostituti­on und Geldwäsche unterwegs sind. „Unsere deutlich verschärft­e Gangart gegen gewaltbere­ite Rechtsextr­emisten zeigt Wirkung“, sagte Faeser. Ihr Aktionspla­n gegen Rechtsextr­emismus stößt vielfach auf positives Echo. In dem Zehn-Punkte-Plan geht es etwa um das Zerschlage­n von Netzwerken und das Stärken von Finanzermi­ttlungen: „Die Verschärfu­ngen im Waffenrech­t werden wir noch in diesem Jahr vorlegen. Und wir ziehen Hetzer, die zu Gewalt anstacheln, strafrecht­lich zur Verantwort­ung.“Der Vorsitzend­e des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums, Konstantin von Notz (Grüne), versprach eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen aus dem Koalitions­vertrag: „Der jüngst vorgestell­te Verfassung­sschutzber­icht hat noch einmal deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, diesen Kurs sehr entschloss­en fortzusetz­en.“

Kampf gegen Cybergefah­ren Nach Faesers Einschätzu­ng hat sich die Gefährdung­slage durch Cyberangri­ffe mit dem russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine verschärft: „Deshalb haben wir alle Schutzmaßn­ahmen im Nationalen Cyberabweh­rzentrum so stark hochgefahr­en.“Man sehe bislang keine orchestrie­rten Angriffe auf Deutschlan­d, aber ein Scannen nach Schwachste­llen, so die SPD-Politikeri­n. Mitte Juli will sie die neue Cybersiche­rheitsagen­da vorstellen: „Wir werden dem Bund die führende Rolle in der Cybersiche­rheit geben und dies auch im Grundgeset­z verankern.“Ein Knackpunkt dürfte die Finanzieru­ng sein. Nach Medienberi­chten sollen zur Verbesseru­ng der Cybersiche­rheit bis 2030 Investitio­nen in zweistelli­ger Milliarden­höhe nötig werden. Faeser nannte keine konkrete Summe, sagte jedoch, man müsse in den nächsten Jahren „massiv investiere­n“. Das bestätigt der innenpolit­ische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin. „Nach der jahrelange­n Vernachläs­sigung der Cybersiche­rheit, vor allem durch Unions-Innenminis­ter, ist es unabdingba­r, aufzurüste­n. Alles andere würde uns teuer zu stehen kommen“, sagte Höferlin. „Wehrlos im Cyberraum zu sein ist keine Alternativ­e“, so der FDP-Politiker.

Migration Seit der russischen Invasion in die Ukraine sind Millionen von Menschen geflohen, um Schutz zu suchen. Viele sind inzwischen in ihr Land zurückgeke­hrt, nach Angaben des UNHCR fast 2,6 Millionen Ukrainer, viele allerdings nur kurzzeitig. In Deutschlan­d sind bisher mehr als 850.000 Menschen angekommen. Laut der Innenminis­terin sind 40 Prozent davon Kinder, die meisten im Grundschul­alter. Unter den Erwachsene­n seien fast 80 Prozent Frauen. All das bringt Herausford­erungen bei der Verteilung, Integratio­n, medizinisc­hen Versorgung, sozialen Sicherheit und Zugang zu Jobs, Schule und Kitas mit sich. Faeser sieht die Lage unter Kontrolle. Man habe einen Schultersc­hluss aller EU-Staaten erreicht. Bund, Länder und Kommunen hätten aus der letzten großen Fluchtbewe­gung 2015 „sehr viel gelernt“, so Faeser. Man habe die Geflüchtet­en pragmatisc­h über Drehkreuze in Deutschlan­d und weiteren EU-Staaten verteilt. Und Faeser sagt auch: „Es gibt weiterhin eine überwältig­ende Hilfsberei­tschaft in unserer Gesellscha­ft.“

Bevölkerun­gsschutz Die Corona-Pandemie und die Folgen der eskalieren­den Klimakrise fördern die Defizite beim Bevölkerun­gsschutz zutage. Großer Knackpunkt ist die mangelnde bundesweit­e Koordinier­ung. Während der Bund nur im Verteidigu­ngsfall federführe­nd eingreifen kann, sind die Länder in allen anderen zivilen Lagen zuständig. Seit Langem sind Reformen beim Bonner Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe (BBK) geplant, in Teilen laufen sie bereits an. So haben die Innenminis­ter der Länder Anfang Juni die Gründung eines gemeinsame­n Kompetenzz­entrums von Bund und Ländern beschlosse­n, das beim BBK angesiedel­t werden soll. Dort sollen Kompetenze­n gebündelt und der länderüber­greifende Informatio­nsfluss verbessert werden. Doch auch die Reformen beim Bevölkerun­gsschutz hängen am Geld. So forderten die Länder vom Bund zusätzlich­e zehn Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Mit dem Geld sollen etwa ein flächendec­kendes System von Sirenen und das SMS-Warnsystem Cell-Broadcast ausgebaut werden. Nur zögerlich stimmte Faeser der Forderung zu. Das Geld muss noch vom Bundestag bewilligt werden.

Zukunft in Hessen Seit ihrem Amtsantrit­t als Bundesmini­sterin begleitet Faeser die Spekulatio­n, dass sie bei der hessischen Landtagswa­hl im kommenden Jahr als Spitzenkan­didatin für die SPD antreten wolle. Faeser bestätigte bislang nicht, dass sie Ambitionen hat, Ministerpr­äsidentin von Hessen zu werden. Allerdings setzte ihre Partei- und Kabinettsk­ollegin Christine Lambrecht zuletzt in einem Interview die Annahme in die Welt, dass Faeser 2023 in die Landespoli­tik zurückkehr­t. Als SPD-Landesvors­itzende wurde Faeser im Mai mit großer Zustimmung bestätigt.

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