Rheinische Post Hilden

Nato stockt die Schnelle Eingreiftr­uppe auf

Das Bündnis stellt sich angesichts des Ukraine-Kriegs neu auf. Erstmals seit 2010 wird das strategisc­he Konzept überarbeit­et.

- VON GREGOR MAYNTZ UND HOLGER MÖHLE

MADRID Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g wird beim Auftakt des Nato-Gipfels an diesem Dienstag in Madrid kaum daran denken, was er vor 25 Jahren gemacht hat. Im Sommer 1997 ordnete er als norwegisch­er Finanzmini­ster noch den Etat seines Landes, als sich die Staats- und Regierungs­chefs der Allianz zu ihrem Gipfel ebenfalls in Madrid trafen. Damals ging es auch schon um Erweiterun­g. Und um eine weitere Annäherung an ein als Partner empfundene­s Russland. Es entstanden die Instrument­e

vertrauens­voller Kooperatio­n – jetzt wird das Land im neuen strategisc­hen Konzept der Nato die „bedeutends­te direkte Bedrohung“.

Wenn sich bis Donnerstag die Staats- und Regierungs­chefs der Nato wieder in Madrid versammeln, wissen sie um die Bedeutung: Es ist ihr wichtigste­r Gipfel seit mindestens 21 Jahren, seit den Terroransc­hlägen auf die USA. Wieder geht es nun in Madrid um eine Erweiterun­g, dieses Mal nach Norden und unter völlig veränderte­n Vorzeichen. Schweden und Finnland, über Jahrzehnte militärpol­itisch bündnisneu­tral, drängen vor dem Hintergrun­d des russischen Angriffskr­ieges gegen die Ukraine in die Allianz. Doch beide Länder müssen den Sprung über die türkische Hürde nehmen. Das NatoMitgli­ed Türkei wirft beiden Staaten vor, „Terrororga­nisationen“wie die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK und die syrische Kurdenmili­z YPG zu unterstütz­en, und verlangt Sicherheit­sgarantien. Stoltenber­g bringt am Dienstag alle zusammen, um das türkische Veto vom Tisch zu bekommen: Schwedens Ministerpr­äsidentin Magdalena Andersson, den türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan und den finnischen Präsidente­n Sauli Niinistö.

Aus Ankara kommt begleitend ein Dämpfer: Die Teilnahme an diesem Treffen bedeute nicht, dass die Türkei von ihrer Position zurückweic­he.

Im Mittelpunk­t steht in Madrid das neue strategisc­he Konzept. Diese politische Vorgabe für alle militärisc­hen Ausplanung­en hatte die Nato zuletzt 2010 neu formuliert. Damals bot das Bündnis Russland eine „strategisc­he Partnersch­aft“an, China kam in dem Nato-Papier damals noch nicht vor. Das ist dieses Mal anders. Ursprüngli­ch sollte China einen neuen Schwerpunk­t einnehmen, nun blickt die Allianz doch zuallerers­t auf Russland – und darauf, wie die Nato reagiert. Dazu hat Stoltenber­g Neuigkeite­n. Eine größere Präsenz an der Nato-Ostflanke und eine höhere Verteidigu­ngsbereits­chaft waren die Ankündigun­gen seit dem Kriegsbegi­nn am 24. Februar. Jetzt wird Stoltenber­g konkret, kündigt an, dass die Schnelle Eingreiftr­uppe der Nato von derzeit 40.000 auf mehr als 300.000 Soldaten ausgebaut werden soll – mobilisier­bar in zehn bis 30 Tagen. Das wird vor allem als Botschaft an das Baltikum gesehen, das sich massiven Drohungen russischer Politiker ausgesetzt sieht und fürchtet, bei einem russischen Angriff „ausgewisch­t“zu werden.

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