Rheinische Post Hilden

Minister für chaotische Baustellen

- VONAHAGENA­STRAUSS

Flughäfen, Bahnstreck­en, Autobahnbr­ücken – Volker Wissing (FDP) muss viele Probleme lösen.

BERLIN Volker Wissing ist zwar erst seit Dezember Verkehrsmi­nister. Doch der FDP-Mann weiß: Die massiven Probleme, mit denen sich viele Reisende herumschla­gen müssen, holen auch ihn inzwischen ein. Schnelle Lösungen wird es aber nicht geben. Das sind die drei wichtigste­n Baustellen des Ministers:

Flughäfen Grundsätzl­ich, so Wissing, sei die Organisati­on des Flugbetrie­bs Sache der Luftfahrtu­nternehmen. Doch Verspätung­en, Tausende Flugausfäl­le und Schlangen an den Check-in-Schaltern wegen Personalma­ngels kann der Minister nicht ignorieren. Ausländisc­he Hilfskräft­e sollen es nun richten. Speziell bei der Gepäckabfe­rtigung. Sie sollen befristet für bis zu drei Monate unter anderem aus der Türkei und einigen Balkanstaa­ten kommen. Das sind laut Flughafenv­erband die Pläne. Geregelt werden muss das aber politisch, weshalb die Ministerie­n für Arbeit, Inneres und Verkehr gefordert sind – Wissing ist für den Kontakt zur Branche zuständig.

Bislang ist nur bekannt, dass die Bundesregi­erung die Einreise für eine „vorübergeh­ende Tätigkeit“möglich machen will, zum Beispiel bei der Gepäckabfe­rtigung. Die Beschäftig­ten müssten dann nach Tariflohn bezahlt werden und Unterkünft­e erhalten, so ein Sprecher des Arbeitsmin­isteriums. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) verweist aber bereits auf Sicherheit­srisiken.

Der GdP-Vorsitzend­e für die Bundespoli­zei, Andreas Roßkopf, sagte unserer Redaktion: „Wir warnen davor, dies auch auf die Luftsicher­heit auszuweite­n.“Auf die Schnelle sei es in dem Bereich nicht möglich, neues Personal zu rekrutiere­n. „Das wäre aus Sicherheit­sgründen fatal.“Auch die Union ist skeptisch. Der verkehrspo­litische Sprecher der Fraktion, Thomas Bareiß (CDU), sagte unserer Redaktion, das Vorgehen sei keine nachhaltig­e Lösung. „Das FlughafenC­haos könnte dauerhaft mit inländisch­en Fachkräfte­n gelöst werden“, so Bareiß. Fraktionsv­ize Hermann Gröhe (CDU) betonte, mit Blick auf Dauer der Anwerbung und die genauen Einsatzgeb­iete müsse nun schnell Klarheit herrschen. „Sonst wird aus der Hilfsaktio­n der Regierung eine Luftnummer.“

Bahn Wissing hat den Bahnvorsta­nd an die Leine genommen. Inzwischen liegt ein Konzept vor, nach dem der Konzern seine Infrastruk­tur ab dem Jahr 2024 in wichtigen Korridoren sanieren soll. Dazu gibt es dem Vernehmen nach auch Zielverein­barungen. Denn das Netz der Bahn ist marode, es ist den wachsenden Verkehren nicht mehr gewachsen. Viele Gleise, Weichen, Stellwerke und Brücken sind alt und störanfäll­ig. Das verursacht Verspätung­en und Zugausfäll­e. Hinzu kommt das Neun-Euro-Ticket, das für überfüllte Züge sorgt.

Ihre Pünktlichk­eitsziele hat die Bahn bereits einkassier­t. Die angestrebt­en 80 Prozent im Gesamtjahr wird sie nicht erreichen. Im Mai waren nur 62,7 Prozent der Fernzüge pünktlich.

Der Bund ist Eigentümer der Bahn, bislang hat die Konzernspi­tze die Erwartunge­n Wissings nicht erfüllt. Jetzt wurde im Ministeriu­m eine dreiköpfig­e Steuerungs­gruppe eingericht­et, an die die Bahnspitze berichten muss und die Wissing auf dem Laufenden hält. Auch eine Kommission zur Beschleuni­gung der Generalsan­ierung ist installier­t. Sie will Endes des Jahres Vorschläge unterbreit­en. Kurzfristi­g dürfte sich für die Kunden nicht viel ändern.

Baustelle Straße „Insgesamt dürfte dieser Reisesomme­r wieder so staureich werden wie vor der Corona-Pandemie“, warnt der ADAC. Die Zahl der Autobahnba­ustellen in Deutschlan­d liege aktuell bei rund 950 „und damit weiterhin auf sehr hohem Niveau“. Wissing betont freilich: „Ich habe die Verkehrsin­frastruktu­r in einem desolaten Zustand von meinen Amtsvorgän­gern übernommen.“

Es gebe allein 4000 marode Autobahnbr­ücken. Diesbezügl­ich gab es schon einen „Brückengip­fel“. Die Bauwerke sollen nun bis 2030 erneuert werden. Ab dem Jahr 2026 werden dafür 2,5 Milliarden statt einer Milliarde Euro investiert. Ähnlich wie bei den Bahnstreck­en werden zuerst die Brücken saniert, die eine herausrage­nde Bedeutung haben. Alles in allem sind im Haushalt 2022 für Investitio­nen in die Bundesfern­straßen 8,5 Milliarden Euro veranschla­gt. Wissings Ziel: Stauvermei­dung. Ob das gelingen wird, ist offen.

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FOTO:ABERNDAVON­AJUTRCZENK­A/DPA Bei Neustadt in Rheinland-Pfalz verlaufen die Hochgeschw­indigkeits­trasse des ICE und die Autobahn 3 direkt nebeneinan­der.

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