Grüne Schönfärberei
Unternehmen bewerben ihre Angebote gerne mit ökologischen Versprechungen – ohne diese jedoch ausreichend nachzuweisen. Entpuppen sich die Aussagen dann als unwahr, folgen immer häufiger Abmahnungen.
DÜSSELDORF Wen stört es, wenn Unternehmen sich und ihre Waren fälschlich als besonders umweltfreundlich beschreiben? Zunächst Organisationen wie Greenpeace, Bund oder die NRW-Verbraucherzentrale, die gegen solche Angebereien zunehmend vorgehen. Verbraucher werden geschädigt, weil sie falschen Versprechen vertrauen. Und es drohen Klagen der Konkurrenten. „Wir sehen immer mehr Fälle, in denen Unternehmen wegen Greenwashing abgemahnt werden“, sagt Astrid Luedtke, auf gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Anwältin bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf. „Es wird als unfairer Wettbewerb interpretiert, wenn eine Firma sich oder einem Produkt einen ökologischeren Anschein geben will, als es angemessen und zu überprüfen ist.“
Der Kampf gegen das sogenannte Greenwashing, also grüne Imagepolitur von Firmen und Produkten, ist zu einem Megathema bei Verbraucherschutz, Wirtschaft, Politik und in der Rechtssprechung geworden.
Bei der Fondstochter der Deutschen Bank, DWS, musste Vorstandschef Asoka Wöhrmann zurücktreten, weil das Unternehmen womöglich Geldanlagen verkauft hat, die in Wahrheit längst nicht so ökologisch sind wie behauptet. Es ging um zig Milliarden Euro, die Zentralen der Deutschen Bank und der DWS wurden Anfang Juni durchsucht.
Vor wenigen Wochen erntete die Rucksackmarke Gotbag Kritik unter anderem von der Wochenzeitung „Die Zeit“, weil angeblich komplett mit Plastikmüll aus dem Meer hergestellte Rucksäcke nach genauer Berechnung nur überwiegend so vorbildlich hergestellt worden waren – viele Teile neben dem Gewebe bestanden eben doch nicht aus recyceltem Kunststoff auf dem Meer. „World’s first backpack made of 100 Percent Ocean Plastic“hieß es in der Werbung auf Facebook. Dann räumte die Firma ein, dass Schnallen, Gurte, Beschichtungen und Schäume anders hergestellt worden waren. Gotbag hatte keine Alternative, als bei der Werbung etwas runterzuschrauben, und spricht nicht mehr von Rucksäcken mit „Ocean Plastic“sondern mit „Ocean Impact Plastic“. Sie entlasten also die Meere durch Wiederverwertung, aber woher genau die Ware kommt, wird etwas offener gelassen.
Eine Reihe an Gerichtsentscheidungen hat in den vergangenen Jahren
klar gemacht, dass grüne Schönfärberei bei Produkten verboten werden kann, wenn sie gegen die Regeln des fairen Wettbewerbes verstößt. Eine Firma hatte für ihre Waren mit der Aussage „CO2-reduziert“geworben. Das verbot das Oberlandesgericht Hamm ebenso wie die Behauptungen von „umweltfreundlichen Produkten“und „nachhaltigen Verpackungen“. Alle diese Aussagen waren wettbewerbswidrig, weil sie nicht ausreichend belegt waren.
Zwölf Unternehmen wurden auf Antrag der Wettbewerbszentrale abgemahnt, weil sie für ihre Waren mit dem Etikett „klimaneutral“oder einer vergleichbaren Formulierung warben. In Wahrheit ging es bei ihnen aber nur darum, den CO2-Ausstoß beim Verbrennen mit CO2-Zertifikaten auszugleichen. Der Kunde müsse aber wissen, wie die angebliche Klimaneutralität entstehe, weil so Nachteile für Unternehmen vermieden würden, die in der eigenen Produktion CO2 einsparen, meinte die Wettbewerbszentrale. „Unternehmen, die ausschließlich oder zum großen Teil Ausgleichsmaßnahmen in Entwicklungsländern vornehmen, dürfen sich keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen verschaffen, die hohe Investitionen in die weitaus kostenaufwendigere Umstellung der eigenen Prozesse tätigen“, sagte Reiner Münker, Präsidiumsmitglied der Organisation, die oft auch als Zentrale gegen unlauteren Wettbewerb bezeichnet wird.
Einem Unternehmen wurde vom Oberlandesgericht Stuttgart untersagt, weiterhin für eine „OceanBottle“zu werben, die angeblich zu 50 Prozent mit Plastikmüll aus dem Meer hergestellt wurde. Tatsächlich wurde der Plastikmüll auch woanders eingesammelt. Das ist „irreführend, wenn zur Herstellung Plastikmüll verwendet wird, der das Meer noch nicht erreicht hatte“, legte das Gericht fest. Auch die Angabe, eine Flasche brauche 15 Prozent weniger Material, weil sie eine einzigartige Planktonstruktur habe, wurde verboten, weil unklar war, worauf sich die Reduktion wirklich bezieht. „Weil umweltbezogene Werbeaussagen eine besondere emotionale Wirkung und Werbekraft haben, stellen die Gerichte bereits jetzt strenge Anforderungen an ihre Zulässigkeit“, sagt Anwältin Luedtke.
Ihre Fachkollegin Helga ZanderHayat von der NRW-Verbraucherzentrale sieht das ebenso: „Es wird immer häufiger mit einem angeblichen Nutzen für das Klima geworben. Da prüfen wir nun Abmahnungen, damit Verbraucher nicht falsch informiert werden.“
Dabei geht die Debatte über Greenwashing noch viel weiter. Die Flughäfen haben sich ein Programm auferlegt, um im Bodenbetrieb klimaneutral zu werden, doch ihre wahre Klimaschädlichkeit liegt woanders: Flugzeuge können nur dank Airports auf weite Reisen gehen; es ist also viel wichtiger, den Flugverkehr zu reduzieren und auf klimaneutralen Treibstoff umzustellen, als Solarpaneelen neben die Rollfelder zu stellen. Deutschland will immer mehr Autos mit Elektrostrom betreiben und sieht sich so als ökologischen Vorreiter; in Wahrheit kam 2021 ein Drittel des deutschen Stroms aus Kohlekraftwerken.
Gegen grüne Schönfärbereien will auch die EU-Kommission vorgehen. Nachdem die Hersteller von Kühlschränken oder Waschmaschinen bereits ausweisen müssen, welchen Verbrauch die Geräte haben, will die Kommission entsprechende Kennzeichnungen auch bei Textilien, Möbeln oder Bauprodukten zur Pflicht machen. Alle unter die Verordnung fallenden Produkte sollen digitale Produktpässe erhalten, damit sie leichter repariert und recycelt werden können. Und um bedenkliche Stoffe entlang der Lieferkette nachvollziehen zu können. Ähnlich zur deutschen Rechtsprechung soll verboten werden, mit sehr allgemeinen Ökoeigenschaften zu werben, „es sei denn“, so Anwältin Luedtke, „das Unternehmen hat klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen zur Erreichung der Ziele übernommen und sich einem unabhängigen Überwachungssystem unterworfen“. Luedtke meint: „Wenn diese Vorschläge durchgehen, können Verbraucher transparentere Informationen erwarten. Sie wären vor Grünfärberei weitgehend geschützt.“Wirklich grüne Firmen würden sich dagegen künftig besser profilieren können.