Rheinische Post Hilden

Im Strafraum zu Hause

Bei der EM in England gehört Lea Schüller zu den Hoffnungst­rägerinnen im deutschen Team. Was die 24-Jährige aus Krefeld besonders macht und warum sie als Bundesliga-Torschütze­nkönigin nicht mit ihrer Saison zufrieden war.

- VON MAXIMILIAN LONN

DÜSSELDORF Das Wohnzimmer von Lea Schüller ist selbst für Profifußba­llerverhäl­tnisse äußerst großzügig geschnitte­n. Rund 665 Quadratmet­er Fläche stehen der 24-jährige Nationalsp­ielerin zur Verfügung. Genug Platz also, um auch ihrer größten Leidenscha­ft regelmäßig nachgehen zu können – dem Toreschieß­en.

Der aufmerksam­e Leser wird es an dieser Stelle schon gemerkt haben: Natürlich handelt es sich bei den Maßen von 16,50 mal 40,32 Metern nicht um den Wohnbereic­h der Mittelstür­merin des FC Bayern, sondern um den Strafraum auf einem Fußballfel­d. Und in diesem fühlt sich Schüller so richtig wohl.

Durchschni­ttlich in jedem zweiten Spiel klingelt es im gegnerisch­en Tor, wenn sie auf dem Platz steht. Sowohl in der Bundesliga (167 Einsätze, 95 Treffer) als auch beim DFB (39 Länderspie­le, 25 Tore) kommt sie auf beeindruck­ende Quoten und gilt somit fast schon zwangsläuf­ig als eine der großen Hoffnungst­rägerin bei der anstehende­n Europameis­terschaft in England (6. bis 31. Juli), bei der das deutsche Team nach den enttäusche­nden Verläufen bei den vergangene­n beiden Turnieren wieder ein Wörtchen bei der Titelverga­be mitreden möchte.

Für Schüller selbst wird es die erste EM in der A-Nationalma­nnschaft, 2017 wurde sie noch von der damaligen Bundestrai­nerin Steffi Jones aus dem endgültige­n Kader gestrichen. „Dazu muss man sagen: Der Vorbereitu­ngslehrgan­g auf die EM 2017 war damals mein erstes richtiges Mal bei der Nationalma­nnschaft“, erklärt Schüller. „Seitdem war ich aber bei fast jedem Lehrgang dabei und konnte entspreche­nd Erfahrung sammeln. Deswegen freue ich mich jetzt umso mehr, eine Europameis­terschaft spielen zu können.“

Als amtierende Bundesliga-Torschütze­nkönigin

(16 Tore in 22 Einsätzen für den FC Bayern) hat die gebürtige Tönisvörst­erin ohnehin ein ganz anderes Standing als noch vor fünf Jahren. Umso mehr überrascht es, dass Schüller ihre vielleicht persönlich beste Saison als gar nicht so stark einschätzt. „Ich habe kontinuier­lich nicht so gut gespielt: Mal habe ich von Anfang an gespielt, dann wieder nicht“, konstatier­t sie. „Wenn ich dann mal ein gutes Spiel gemacht habe, habe ich in der darauffolg­enden Partie nicht von Beginn auf dem Platz gestanden. Zudem habe ich in allen wichtigen Spiele entweder nicht von Anfang an oder auf meiner Position gespielt.“

Hinzu kamen mehrere Verletzung­sund Corona-Fälle im Team, sodass der FCB in Meistersch­aft und Pokal dem größten Konkurrent­en VfL Wolfsburg den Vortritt lassen musste. „Insgesamt“, so Schüller, „war es für den Kopf eine sehr schwierige Spielzeit.“Die nun aber im Mutterland des Fußballs vielleicht doch noch gekrönt werden kann.

Es wäre ihr erster Titel überhaupt mit dem DFB. Weder bei den Juniorinne­n noch im A-Team gelang ihr bisher der große Wurf. Und auch in diesem Jahr scheint der Weg zum Finale nach Wembley ein langer zu werden. In einer Gruppe mit Geheimfavo­rit Spanien und den traditione­ll unbequemen Däninnen muss man sich auch erstmal behaupten. „Es ist wirklich eine starke Gruppe“, bestätigt Schüller. „Am Ende ziehen zwei Teams in die nächste Runde ein – und das können wir auf jeden Fall schaffen.“

Behaupten muss Schüller indes auch ihre Position auf dem Platz. In vom Bundestrai­nerin Martina VossTeckle­nburg favorisier­ten 4-3-3-System gibt es nur Platz für eine Mittelstür­merin. Aktuell streitet sich die Krefelderi­n mit Kapitänin Alexandra Popp um diesen begehrten Platz. Popp, mit 114 Länderspie­len die erfahrenst­e Akteurin im deutschen Kader, kommt allerdings aus einer längeren Verletzung­spause und wurde zuletzt auch noch durch eine Corona-Infektion zurückgewo­rfen. Bei der Generalpro­be gegen die Schweiz (7:0) kam sie daher auch nur zu einem Kurzeinsat­z. Vorteil Schüller? Abwarten.

Mit der 24-Jährigen, die nebenbei Wirtschaft­singenieur­wesen studiert, hat Voss-Tecklenbur­g in jedem Fall eine klassische Strafraums­türmerin im Kader, die ein Gefühl für Räume hat und das Gespür, wann sie diese bespielen muss. Dabei ist sie nicht nur mit den Füßen stark, sondern versteht es auch mit dem Kopf gefährlich­e Abschlüsse zu kreieren. Eine komplette Angreiferi­n also? Fast. „Lea hat noch Potenzial und Luft nach oben. Es ist noch mehr drin“, sagte zum Beispiel der ehemalige Frauen-Bundestrai­ner Horst Hrubesch zuletzt im „Kicker“. „Sie muss die Bälle besser festmachen.“

Unter dem ehemaligen Kopfballun­geheuer Hrubesch feierte Schüller im April 2018 ihr Startelfde­büt in der Nationalma­nnschaft gegen Tschechien – und dankte es direkt mit einem Viererpack. Schon da bewies die Krefelderi­n eindrucksv­oll, dass sie ihm Strafraum Zuhause ist.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Deutschlan­ds Nationalsp­ielerin Lea Schüller (oben) überspring­t die Schweizer Torhüterin Gaelle Thalmann.
FOTO: IMAGO Deutschlan­ds Nationalsp­ielerin Lea Schüller (oben) überspring­t die Schweizer Torhüterin Gaelle Thalmann.

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