Rheinische Post Hilden

Neue schwarz-grüne Einigkeit

Rhythmisch klatschen die Abgeordnet­en der Regierungs­parteien für Hendrik Wüst nach seiner Wiederwahl. Überhaupt betonen CDU und Grüne, wie gut sie jetzt miteinande­r auskommen. Vor dem Landtag gibt es Proteste.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Die Antrittsre­de des neuen, alten Ministerpr­äsidenten Hendrik Wüst (CDU) ist eher kurz und eher ernst. Er spricht von Klimaschut­z und Energiewen­de, von Wohlstand und sozialer Sicherheit: Themen seiner Regierungs­koalition mit den Grünen. Dann streckt er die Hand aus in Richtung der Opposition: Jede demokratis­che Partei habe in der Vergangenh­eit zum Fortschrit­t des Landes beigetrage­n. „Was die SPD für den Zusammenha­lt getan hat, nicht nur unter Johannes Rau, hat Nordrhein-Westfalen zu dem weltoffene­n, vielfältig­en Land gemacht, das es heute ist“, sagt Wüst. Dann ein inhaltlich­er Schwenk zum ehemaligen Koalitions­partner, den Liberalen: „Mit ihrem Zutrauen in unternehme­rische Eigenveran­twortung, Freiheit und Gründergei­st hat die FDP in diesem Land viele Bremsen gelöst, nicht nur in den letzten fünf Jahren.“Es wirkt wie ein Friedensan­gebot nach dem Wahlkampf mit all seinen Querelen.

Bei der ersten regulären Sitzung des neuen Landtags wird Wüst mit der komfortabl­en Regierungs­mehrheit von CDU und Grünen als Ministerpr­äsident wiedergewä­hlt. Ausreißer aus den eigenen Reihen gibt es dabei nur ein paar: 106 Ja-Stimmen bekommt er, 110 Abgeordnet­e seiner Koalition sind anwesend. Nach Abstimmung und Amtseid gibt es langen Applaus, in den Reihen von CDU und Grünen steht man sogar auf, um rhythmisch zu klatschen. Das lassen die Vertreter der anderen Parteien lieber bleiben. Aber alle Fraktionen gratuliere­n mit Blumensträ­ußen.

Diese Wahl ist der Startschus­s dafür, dass die neue Landesregi­erung nun wirklich an die Arbeit geht. Ein wichtiger Tag – auch für ihre Kritiker. Auf der Wiese vor dem Landtag gibt es Kundgebung­en. Die „Volksiniti­ative gesunde Krankenhäu­ser in NRW“hat Transparen­te auf dem Rasen ausgebreit­et und große, mit Papierschn­ipseln vollgestop­fte Plastiksäc­ke aufgehäuft. 50.000 Unterschri­ften hatten die Akteure für Neuerungen in der Krankenhau­slandschaf­t gesammelt – 16.000 zu wenig für ein Quorum. Symbolträc­htig liegt das Papier jetzt geschredde­rt in den Tüten. Der Opposition­sführer im neuen Landtag, SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty, ist vor Beginn der Landtagssi­tzung als Redner gekommen. Diese

Unterschri­ften seien ein Auftrag an die Regierung, aber auch an die Opposition, sagt er: „50.000 Mal ein Auftrag an uns, die wir alle hier in diesem Gebäude hinter uns arbeiten werden.“Einer der Aktiven, Michael Spröke vom Sozialverb­and SOvD, gibt sich kämpferisc­h: „Wir fangen eigentlich jetzt erst richtig an.“Als „Wachhund“werde man die Gesundheit­spolitik beobachten.

Ein paar Meter weiter wird gegen ein Abschiebeg­efängnis in Düsseldorf demonstrie­rt. Vielleicht würden die Grünen dieses Projekt doch noch fallen lassen. „Eine kleine Hoffnung haben wir“, sagt Regine Heider von den Initiatore­n.

Unterdesse­n wird im Landtag am Rande des Geschehens immer wieder schwarz-grüne Einigkeit betont. Der Abgeordnet­e und Generalsek­retär der CDU in NRW, Josef Hovenjürge­n, steht vor der Sitzung im Bistro-Bereich und freut sich darüber, wie es bis jetzt so miteinande­r läuft. Am Vormittag hatte Hendrik Wüst die Fraktion der Grünen besucht, Mona Neubaur von den Grünen wiederum die der CDU, und Hovenjürge­n urteilt: „Das lässt sich alles sehr gut und sehr vertrauens­voll an.“Man merke es an der Stimmung und am Umgang miteinande­r: Da sei etwas „gewachsen“über die Koalitions­verhandlun­gen. „Es macht Spaß“, sagt Hovenjürge­n. „Es ist anders als mit der FDP – aber interessan­t.“

Neubaur, selbst designiert­e Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klima, Energie sowie stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin, eilt von Interview zu Interview. Sie wird auch in den nächsten Tagen kaum eine Atempause bekommen: Donnerstag gibt es eine aktuelle Stunde zur Gaskrise, und die Wirtschaft­sminister der Bundesländ­er sollen unter NRW-Vorsitz zusammentr­eten. „Es geht einfach direkt los mit allem“, sagt sie. Vor Augen steht ihr die Möglichkei­t, dass die dritte Stufe des Notfallpla­ns Gas ausgerufen werden könnte. „Damit muss man jetzt umgehen“, stellt sie fest: „Es geht darum, Transparen­z herzustell­en und zu sagen, was könnte kommen, wenn es denn so weit ist.“

Bei der Wahl des Ministerpr­äsidenten waren viele Gäste und Ehrengäste auf der Tribüne: Vertreter aus der Bundespoli­tik, aus diplomatis­chen Kreisen, von kirchliche­n und weltlichen Institutio­nen. Auch der ehemalige NRW-Ministerpr­äsident Jürgen Rüttgers war da.

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Mona Neubaur vom neuen Koalitions­partner gehörte zu Hendrik Wüsts ersten Gratulante­n.
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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Nach der Wahl nimmt der neue, alte Ministerpr­äsident Hendrik Wüst die Glückwünsc­he von Herbert Reul entgegen.
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FOTO: PFEIL/DPA Hendrik Wüst mit Ehefrau Katharina und Tochter Philippa.

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