Einigung in letzter Minute
Mit einem Aus für Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035 will die EU Emissionen senken. Doch noch bis kurz vor der Abstimmung war die Position der Ampelkoalition keineswegs klar. Besonders zwischen Grünen und FDP hakte es.
BERLIN Wenn es nach Bundesumweltministerin Steffi Lemke geht, dann sollte am Ende eine Paketlösung stehen. Für die grüne Ministerin schien schon zu Beginn dieses langen Verhandlungstages klar zu sein, was darin stecken soll. „Wenn das Paket beinhaltet, was wir wollen, keine Autos, die CO2 ausstoßen nach 2035, dann werden wir zustimmen“, sagte sie am Dienstagmorgen im ZDF, noch bevor die Beratungen mit ihren EU-Ministerkollegen im EU-Umweltrat in Luxemburg begannen. In den Verhandlungen ging es um ein EU-weites Aus für Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035. Lemke ließ offen, wen sie mit diesem „wir“meinte. Die gesamte Regierung konnte es nicht sein. Denn für ihren Kabinettskollegen Christian Lindner von der FDP war zu diesem Zeitpunkt die Sache keineswegs klar.
So meldete sich der Bundesfinanzminister am Dienstagmorgen postwendend zu Wort. Lindner nannte Lemkes Äußerungen „überraschend“, denn sie würden nicht den aktuellen Verabredungen entsprechen. „Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein“, betonte Lindner auf diversen Kanälen. Es stand Aussage gegen Aussage.
Erst am frühen Dienstagabend dann der Durchbruch: Die Bundesregierung konnte sich während der laufenden Verhandlungen in Luxemburg einigen. So unterstützt die Bundesregierung nun einen sich abzeichnenden Vorschlag des EU-Rates zu den Flottengrenzwerten als „Beitrag auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität“, wie ein Regierungssprecher mitteilte.
Demnach habe die EU-Kommission zugesagt, außerhalb des Systems der Flottengrenzwerte einen Vorschlag zu unterbreiten, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden könnten. Diese sollen dann „exklusiv“mit klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden. Das beziehe sich nach dem gemeinsamen
Verständnis der Bundesregierung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Konkret würde das bedeuten: Auch nach 2035 wäre die Neuzulassung von Verbrennermotoren zulässig, sofern diese kein klimaschädliches CO2 ausstoßen. Mit der Einigung der Ampel waren die Verhandlungen auf EU-Ebene allerdings noch nicht abgeschlossen. Die finalen Entscheidungen waren bei Redaktionsschluss noch offen.
Trotz des offenkundigen Streits zwischen Grünen und FDP hatte es der Bundeskanzler am Dienstag so aussehen lassen, als sei sich die Ampel vollkommen einig. Man wolle es möglich machen, „dass nach 2035 auch Pkw zugelassen werden können mit CO2-neutralen Technologien, mit E-Fuels“, sagte Olaf Scholz (SPD) beim Abschluss des
G7-Gipfels in Elmau unter Verweis auf den Koalitionsvertrag. Man sei sich einig, geschlossen zu handeln, so Scholz.
Die Denkfabrik Agora Verkehrswende wandte sich gegen die Position, CO2-neutrale Verbrenner auch nach 2035 zuzulassen, worauf sich die Bundesregierung schließlich verständigte. „Für Pkw ist die Technologiefrage längst entschieden – und zwar für Elektromobilität“, sagte deren Direktor Christian Hochfeld unserer Redaktion. Synthetische Kraftstoffe würden auf lange Zeit sehr knapp und sehr teuer sein. Grüner Wasserstoff und die darauf aufbauenden Produkte sollten nur dort eingesetzt werden, wo es keine direktelektrischen Alternativen gebe.
In Luxemburg zeichnete sich im Laufe des Tages eine Paketlösung mit anderen Bestandteilen des EUKlimapaketes ab. So hat Deutschland seine Probleme mit dem Klimasozialfond. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), ebenso in Luxemburg dabei, signalisierte zwar Anerkennung für die große soziale Herausforderung, die mit dem Klimapaket in einer Reihe von Ländern einhergehe. Zugleich dürften Möglichkeiten im eigenen Land nicht abgeschnitten werden.
Agora Verkehrswende
Dahinter verbirgt sich deutscher Widerstand gegen ein Konzept, ab 2025 mehr als 70 Milliarden Euro in einen Fonds zu stecken, der vor allem ärmere Länder in der Mitte und im Osten Europas bei der CO2-Verteuerung und deren Auswirkungen entlasten soll. Deutschland steht auf der Bremse, will einen späteren Start des Fonds und eine deutlich kleinere Dimensionierung von weniger als einem Drittel des geplanten Volumens. Frankreich bemühte sich um einen Kompromiss, der zunächst jedoch zu wenig Unterstützer fand, um eine qualifizierte Mehrheit für das Klimapaket zustande zu bringen. „Die Einigung wird schwierig, aber möglich sein“, sagte Habeck. Allerdings hatte er sich, wie Lemke, auf einen langen Tag und eine kurze Nacht in Luxemburg eingerichtet.
„Für Pkw ist die Technologiefrage längst entschieden – und zwar für Elektromobilität“Christian Hochfeld