Zehn Jahre danach: Was von der WestLB blieb
Die Landesbank betrieb einst Industriepolitik in großem Stil. 2012 wurde sie auf Druck der EU-Kommission geteilt.
DÜSSELDORF Es ist eine Geschichte aus einer anderen Zeit. Einer, in der die deutsche Geldwirtschaft Industriepolitik im großen Stil betrieb. In der die Vertreter mächtiger Banken in vielen Aufsichtsräten von Konzernen saßen und über deren Geschicke mitbestimmten. Das war auch die Hochzeit der WestLB, die Mitte der 90er-Jahre mit einer Bilanzsumme von umgerechnet 220 Milliarden Euro Deutschlands drittgrößtes Geldhaus war, hinter der Deutschen Bank und der Dresdner Bank.
Ein nur exemplarischer Auszug aus dem einstigen Beteiligungsportfolio: Preussag, Ruhrkohle, Babcock, Krupp, LTU. Die Bank drehte schon in den 80er- und 90er-Jahren das große Rad – auch in Gestalt ihres Chefs Friedel Neuber und in NRW im Zusammenwirken mit den seinerzeitigen SPD-Entscheidern Johannes Rau (Ministerpräsident) und Heinz Schleußer (Finanzminister) sowie deren Nachfolgern. An der Fusion von Thyssen und Krupp wirkten die Bank-Granden ebenso mit wie am Zusammenschluss der Energieriesen RWE und VEW oder der Übernahme von Horten durch die Metro. 1986 war die WestLB unter anderem in Paris, Moskau, Rio, Hongkong, Tokio, Peking und Melbourne aktiv.
Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem offiziellen Aus für die WestLB, die am 30. Juni 2012 aufgespalten wurde, mag man sich das alles kaum noch vorstellen. Die Rechtsnachfolgerin Portigon hatte Ende 2021 noch eine Bilanzsumme von 2,2 Milliarden Euro. Ungefähr das gleiche Kaliber wie die Sparkasse Niederlausitz, kleiner als die Sparkasse Lippstadt, für die die WestLB einst wie für viele andere die große Zentralbank in Düsseldorf war. Gerade mal 60 Beschäftigte stehen in der Portigon-Bilanz für 2021.
Geblieben ist neben ihr die Erste Abwicklungsanstalt, die seit der Aufspaltung der alten Landesbank vor einem Jahrzehnt viele Altlasten der
WestLB abarbeitet und insofern von vornherein als Gesellschaft mit beschränkter Haltbarkeit definiert war. Vor einigen Monaten sind beide Unternehmen durch einen Gerichtsstreit wieder in die Öffentlichkeit gerückt worden. Portigon hatte die Abwicklungsanstalt EAA verklagt, weil es die von den Finanzbehörden verlangte Begleichung von Steuerschulden aus verbotenen Cum-ex-Geschäften nicht leisten wollte und die Verantwortung dafür bei der EAA sah. Die muss nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt auch tatsächlich eine Milliarde Euro zahlen, weil das Gericht die Ansicht vertritt, die Cum-ex-Schulden gehörten zum Kapitalmarktbereich, den die EAA abzuarbeiten hatte. Die hat aber gegen das Urteil Berufung eingelegt. (Aktenzeichen 2-27 O 328/20). Ende offen. Die EAA schätzt ihre Erfolgsaussichten
in der Berufung als „sehr gut“ein und sieht „derzeit weiterhin keine Notwendigkeit, eine Rückstellung für den Fall des endgültigen Unterliegens in diesem Rechtsstreit zu bilden“.
In der juristischen Auseinandersetzung ist das Land NRW scheinbar paradoxerweise Kläger und Beklagter. Weil es bei der EAA aber nur Gewährträger für rund 48 Prozent der Anteile ist, bei Portigon aber gemeinsam mit der landeseigenen NRW.Bank alleiniger Träger ist, hat es natürlich ein Interesse daran, dass Portigon den Rechtsstreit gewinnt. Das Ganze ist ein wenig ruhmreiches Kapitel in der Geschichte der WestLB und deren Spätfolgen. Und davon hat es in den vergangenen Jahrzehnten so einige gegeben.
Das vielleicht persönlich schillerndste war die Affäre um die USamerikanische
Investmentbankerin Robin Saunders und den britischen Fernsehverleiher Boxclever – ein Investment-Desaster, das der WestLB mehr als 400 Millionen Euro Minus einbrockte und mit dazu beitrug, dass der damalige Konzernchef Jürgen Sengera im Sommer 2003 seinen Rücktritt erklärte. Ein halbes Jahr später gab die Bank einen Milliardenverlust bekannt. Und es sollte nicht der letzte sein.
Das börsentechnisch bedeutsamste waren die Fehlspekulationen von WestLB-Händlern in Vorzugsund Stammaktien mehrerer Großkonzerne. Diese Spekulationen rissen 2007 ein Loch von rund 600 Millionen Euro in die Erfolgsrechnung der Bank. Auch diesmal räumte der Chef, diesmal Thomas Fischer, seinen Stuhl.
Das finanziell gravierendste und folgenschwerste war die internationale Finanzkrise, ausgelöst durch Investments in wertlose amerikanische Immobilienpapiere vieler Banken rund um die Welt. Vor allem das
Land NRW und die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen mussten damals Milliardengarantien abgeben für eine Zweckgesellschaft, in die die WestLB zweistellige Milliardenlasten ausgliederte und so den Druck aus ihrer eigenen Bilanz nahm.
Gerettet hat das die Bank auch nicht. Im Gegenteil: An der Stelle hat vermutlich schon das erste Glöckchen für die WestLB-Beerdigung Jahre später geschlagen. Denn die Verantwortlichen hatten sich bereits seit Mitte der 90er-Jahre mit der EUKommission um aus deren Sicht unerlaubte Beihilfen gestritten. 2010 verlangte Brüssel einen Eigentümerwechsel, der nie gelang. Die EAA übernahm danach Milliardenlasten, von denen ein Großteil abgearbeitet ist. Im Bankbuch standen Mitte 2012 noch 155 Milliarden Euro, Ende März 2022 waren es noch 10,3 Milliarden Euro. Und im Handelsbestand sind von den einstmals mehr als eine Billion Euro auch „nur“knapp 63 Milliarden Euro übrig. Das Ende scheint absehbar.
Das vielleicht persönlich Schillerndste war die Affäre um Investmentbankerin Robin Saunders und den Fernsehverleiher Boxclever