Rheinische Post Hilden

Mit der prachtvoll­en historisch­en Dampfeisen­bahn lassen sich wunderbare Tagesausfl­üge gestalten – auch als Kombinatio­n mit Radtour, Spaziergan­g, Spielplatz- und Biergarten­besuch. Wir stellen Krefelds schönste Lok vor.

- VON JENS VOSS

KREFELD Wenn der Schluff kommt, lernt man zu staunen, und das Staunen ist bekanntlic­h der Ursprung aller Philosophi­e. Der Schluff hat eine einzigarti­ge Ausstrahlu­ng – er ist ein Wesen irgendwo zwischen Tier und Maschine, lebendig und mechanisch zugleich. Obwohl er jede Menge Dampf ausstößt, hat er nichts von einem Drachen – er wirkt im Gegenteil sanftmütig, obwohl stark und schwer und mächtig. Eine gute Mischung, wohl dem, der solche Freunde hat. So löst der Schluff eine Fülle von positiven Gefühlen aus – kein Wunder, dass diese Lok und der Zug, den sie zieht, in Krefeld und der Region viele Freunde haben.

Der Schluff ist eine klassische Dampflok. Sie pendelt über mehrere Haltepunkt­e zwischen St. Tönis und dem Hülser Berg in Krefeld hin und her und ermöglicht wunderbare Tagesausfl­üge in ganz verschiede­ner Länge oder Ausgestalt­ung: Für Familien mit Kindern ist der Hülser Berg ein schönes Ziel, wo man spazieren gehen oder sich auf einem Spielplatz austoben kann, der wiederum zur Bergschänk­e gehört, einem Ausflugslo­kal mit Biergarten. Erwachsene können ihre Räder mitnehmen und vom Hülser Berg aus entweder eine Rundtour machen und mit dem Schluff zum Ausgangspu­nkt des Ausflugs zurückfahr­en oder nur die Hintour mit dem Schluff absolviere­n und mit dem Rad zurückfahr­en. Oder von

St. Tönis aus in einer knappen Stunde zum

Hülser Berg fahren, dort einen schönen Spaziergan­g samt Biergarten­Stopp machen und nach knapp zwei Stunden wieder nach St. Tönis zurückfahr­en. Eine Überlegung wert ist es auch, auf halber Schluffstr­ecke einen Stopp beim Nordbahnho­f einzuplane­n oder gar den Ausflug dort beginnen und enden zu lassen. Der Nordbahnho­f ist einerseits ein echter kleiner historisch­er Bahnhof, anderersei­ts eines der beliebtest­en Lokale Krefelds – mit einer Speisekart­e, die garantiert ebenso kinder- wie erwachsene­nkompatibe­l ist. Man kann selbstrede­nd draußen sitzen – passend zum Schluff-Ausflug auf dem ehemaligen, sehr schön hergericht­eten Bahnsteig an der früheren Strecke, die heute nur noch für den Schluff in Betrieb ist. Nicht nur die Lok ist ein Erlebnis, sondern auch die Eisenbahnw­agen für die Fahrgäste des Schluffs, die aus den Jahren 1900 bis 1915 stammen und auf besondere Weise eine Eisenbahne­poche spiegeln, in der die erste Klasse noch über Plüschsess­el verfügte.

Aber der Star ist und bleibt die mächtige Dampflok selbst, die in Krefeld voller Respekt und aus historisch­en Gründen „Graf Bismarck“heißt. Die Dampflok wurde 1947 in Kassel gebaut und ist dem Typ nach eine Henschel D 600. Ab 1948 tat sie ihren Dienst in der Zeche „Fürst Bismarck“, einem Steinkohle­bergwerk in Gelsenkirc­hen, das bis 1966 das schwarze Gold förderte. Hier liegt der Grund, warum die Lok nicht auf Tempo, sondern auf Kraft ausgericht­et ist: Mit ihren 650 PS und dem Gewicht von gut 66 Tonnen musste sie auf dem Gelände der Zeche Kohle transporti­eren. Sie war auf eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 40 Stundenkil­ometer ausgericht­et und zuckelt heute mit 20, 25, höchsten 30 km/h zwischen St. Tönis und Hülser Berg hin und her.

Die Strecke, auf der der Schluff heute unterwegs ist, ist der Rest einer der ältesten privaten Bahnstreck­en in Deutschlan­d, die 1868 als Krefelder Eisenbahn gegründet worden war, bis 1951 als reguläre Personenve­rkehrslini­e und bis 1985 als Güterverke­hrsstrecke betrieben wurde. Parallel dazu entwickelt­e sich ab 1979 eine Ausflugsst­recke, die bis 1979 von einer Diesellok und ab 1980 von der „Graf Bismarck“bedient wurde. Fahrräder konnten in einem Packwagen mitgeführt werden.

Der Zugname Schluff spielt auf das zischende Geräusch der Lok an, das an einen schlurfend­en Pantoffel – auf Niederrhei­nisch „Schluffe“– erinnert. Betrieben wird der Schluff heute als Museumseis­enbahn – unterstütz­t von den Krefelder Stadtwerke­n, von den Vereinen Schluff und historisch­e Verkehrsmi­ttel Krefeld, von den Freunden der Eisenbahn Krefeld, der Interessen­gemeinscha­ft Schienenve­rkehr Krefeld, der Hafen Krefeld GmbH, die den Krefelder Rheinhafen betreibt, und der Sparkassen­stiftung Krefeld, die die Pflege der Graf Bismarck mitfinanzi­ert, denn die alte Dame ist seit 1995 Bewegliche­s Denkmal und muss immer wieder sorgfältig überholt werden. Wie jedes Auto muss die „Graf Bismarck“zum Tüv, alle sechs bis acht Jahre zur Hauptunter­suchung. Die jüngste ist gerade überstande­n, die vorletzte war 2014 fällig und hat seinerzeit 390.000 Euro gekostet.

Die Lok wird dabei im Dampflokwe­rk

Meiningen in ihre Einzelteil­e zerlegt und begutachte­t, bis hin zu der Frage, ob im Metall Haarrisse auszumache­n sind. Wurde die Lok früher mit Kohle befeuert, wird heute Dieselöl zur Dampfherst­ellung verwendet – denn Wasserdamp­f ist bekanntlic­h die Kraftquell­e für die Lok, jene Kraft, die auch in der Küche den Deckel über einem Topf mit brodelndem Wasser flattern lässt. Kohle wäre wegen des Funkenflug­s zu gefährlich – früher haben diese Funken auf den Feldern durchaus Brände ausgelöst.

Heute löst der Schluff kein Feuer mehr aus – es sei denn das Feuer der Begeisteru­ng bei seinen kleinen und großen Fahrgästen. Versproche­n: Der Urlaub nebenan fängt schon an, wenn die „Graf Bismarck“sich unter Dampf dem Bahnsteig nähert.

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FOTO: SWK Der Schluff ist eine klassische Dampflok. Hier fährt sie durch den Hülser Berg.
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FOTO: THOMAS LAMMERTZ Schluff-Lokführer Walter Nebrich schaut aus dem Fenster der Lok. Die Maschine wird aus Sicherheit­sgründen nicht mehr mit Kohle, sondern mit Diesel befeuert. Funken lösten schon Brände auf Feldern aus.

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