Scheidende Pfarrerin wünscht der Kirche Mut
Gabriele Gummel tritt in den Ruhestand. Sie hält am Sonntag nach gut 36 Jahren in der Gemeinde ihren Abschiedsgottesdienst selbst.
HAAN Wenn Gabriele Gummel am Sonntag, 28. August, in der Evangelischen Kirche an der Kaiserstraße ihren eigenen Abschiedsgottesdienst hält, dann gehen für sie genau 36 Jahre und vier Wochen als Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Haan zu Ende. „Es war eine gute Zeit“, sagt sie im Rückblick, räumt auch schwere Phasen ein und betont, ihren Beruf möge sie auch nach fast vier Jahrzehnten noch.
Es waren völlig andere Zeiten, als sich die damalige Pfarrerin im Hilfsdienst 1986 auf die Stelle für den vakanten Unterhaaner Bezirk beworben hatte. Da stellte für manche ein Problem dar, dass Gabriele Gummel der femininen Theologie anhängt und auch die Bibel aus Sicht der Frau liest. Zu allem Überfluss hatte sie 1983 mit fünf anderen Theologinnen die Zeitschrift „Schlangenbrut“gegründet. Es gab 22 Einsprüche nach ihrer Wahl – sonst eher die Ausnahme. Die Landeskirche prüfte sogar, ob in der „Schlangenbrut“nicht Häresie (Irrlehre) betrieben wurde. Damals hieß es in einschlägigen Vorschriften auch noch über Pfarrerinnen: „Die Schwestern im Amt sind Brüder im Sinne dieser Gesetze.“Gabriele Gummel war damals froh, in Erika Schkommodau bereits eine Pfarrers-Kollegin in der Gemeinde zu haben. Nach und nach wurde es normal, von „Pfarrerin“zu sprechen.
Viele Dinge, die in 36 Jahren neu entstanden sind, hat Gabriele Gummel mit oder maßgeblich angestoßen. Ob es der Gottesdienst zum Mitmachen ist, der Kinderbibelmorgen und -gottesdienst, die 10-Minuten-Andacht am Mittwoch, der Gospelchor „Taktvolk“, das Seniorennetzwerk „Wir sind Haan“, das Ökumenische Kirchenkino, „Der andere Advent“, Meditationsangebote oder Taizé-Gottesdienste. „Die Öffentlichkeitsarbeit war mir sehr wichtig“, sagt sie. Mit dem monatlichen „Info“, dem Gemeindemagazin „kirche:heute“, Homepage und Schaukasten-Gestaltung hat die scheidende Pfarrerin Spuren hinterlassen. Für Ideen hat Gabriele Gummel Mitstreiter gesucht und ehrenamtliche Helfer nach und nach in die Lage versetzt, Projekte selbst durchzuführen. Dabei stand sie im Hintergrund immer hilfreich zur Seite.
Die Ökumene in Haan war der gebürtigen Kölnerin (Jahrgang 1956) stets wichtig. Zusammen mit dem katholischen Pfarrer Paul July entwickelte sich die Idee zum längst traditionellen Pfarrgemeindefest. Beim monatlichen Treffen der Seelsorger der katholischen Pfarre, der Evangelischen Kirchengemeinde und der Freien Evangelischen Gemeinde
wuchs die Kooperation, entstanden auch neue Angebote – etwa die ökumenischen Frühschichten vor Ostern oder eine veränderte Ordnung der Schulgottesdienste.
Die Strukturen der Kirchengemeinde haben sich gewandelt. Aus damals vier Pfarrstellen bleiben – nach dem Ausscheiden von Gabriele Gummel – noch zwei. Frank Weber ist zwar Pfarrer in Haan, aber als Superintendent des Kirchenkreises anders gebunden. Jetzt wird ein Gemeindemanager gesucht, der hilft, dass sich die verbliebenen Pfarrer Christian Dörr und Frank Blankenstein
ganz auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.
Neben diesem personellen Aspekt hat sich die Gemeinde auch bei ihren Immobilien zeitgemäß aufgestellt – zumal die Zahl der Gemeindeglieder von rund 11.000 in den 1980er Jahren auf nunmehr noch 6800 geschrumpft ist. Die Gemeinde verkaufte das Paul-GerhardtHaus (dort wurde das Carpe diem gebaut), gab das Gemeindehaus Flemingstraße 26 auf (dort sollen Wohnungen gebaut werden). Das Gemeindehaus Martin-Luther Straße 6 ist verkauft worden, ebenso der
Blumenladen am Friedhof Alleestraße. Gerade wurde das Haus an der Kirche saniert und um einen Saalbereich ergänzt. Im alten Gemeindeamt Kaiserstraße 8 entstehen Wohnungen. Viele dieser Veränderungen hat Gabriele Gummel begleitet, ob im Presbyterium oder im Bauausschuss und in enger Zusammenarbeit mit dem kürzlich verstorbenen Architekten Theo Esseling.
Welche Pläne gibt es für den Ruhestand? „Erst einmal keine Termine mehr haben!“, sagt sie spontan. Haus aufräumen, Arbeit im (bisher „ökologischen“)
Garten, Zeit verbringen mit Ehemann Rolf-Joachim Lagoda, Zeit haben für die drei erwachsenen Kinder, Kontakte pflegen. Sie freut sich, im Oktober 14 Tage nach Südafrika zu fliegen und dort mit einem Pastoralkolleg im Projekt „Dream a vision“theologische Begegnungen mit afrikanischen Gemeinden zu haben. Zu Weihnachten wird Gabriele Gummel noch einmal ein Krippenspiel mit den Minis vorbereiten. Sie bleibt vorerst in ihrem bisherigen Pfarrhaus wohnen und wird von daher noch manches Mal mit dem Fahrrad von Unterhaan in die Innenstadt („mein einziger Alltagssport“) radeln.
Wünsche gibt es auch: Gottesdienste sollen der Gemeinde Ausstrahlung geben. Leute sollen in der Gemeinde Anknüpfungspunkte finden – und sei es auch nur zu Weihnachten, Hochzeiten, Taufen oder Beerdingungen. Der Kirche wünscht sie Mut, auch einmal unkonventionelle Wege zu gehen. Auf keinen Fall solle bei der Kirchenmusik gespart werden. „Denn mindestens 50 Prozent eines guten Gottesdienstes ist die Musik.“Für ihren eigenen Abschiedsgottesdienst hat sie moderne und zeitgenössische Orgelstücke ausgesucht und auch Raum für den Gospelchor geschaffen.