Wenn die Preiserhöhung ins Haus flattert
Viele Kunden fürchten den Blick in den Briefkasten, denn dieser Tage drohen weitere Aufschläge beim Gas. Ein Verbraucherschützer erklärt, was gegen unberechtigt hohe Abschläge zu tun ist.
DÜSSELDORF Es passiert dieser Tage immer wieder: Gaskunden erhalten Post vom Anbieter – und ärgern sich über eine saftige Preiserhöhung. Kostete Erdgas vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde, sind es inzwischen neun bis 15 Cent – und für Neukunden sogar noch deutlich mehr: „Wir waren mal bei 30 bis 40 Cent, jetzt hat sich der Preis auf rund 20 Cent eingependelt“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte von der Verbraucherzentrale NRW. Doch können Kunden sich dagegen wehren? Und was tun, wenn man die Abschläge nicht bezahlen kann? Hier Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wann ist eine Abschlagserhöhung berechtigt? Der Gasanbieter darf die monatlichen Abschläge für Kunden nur dann erhöhen, wenn es zuvor eine Preiserhöhung gegeben hat. Die muss der Anbieter schriftlich ankündigen. Tut er das nicht, ist die Erhöhung der Abschläge rechtlich unzulässig. Manchmal komme es trotzdem vor, dass Anbieter das vorsorglich machten, sagt Sieverding. Die Abschläge richteten sich aber nach dem Verbrauch aus dem Vorjahr. Habe der sich nicht verändert, gebe es keinen Grund, sie bei gleichbleibendem Preis zu erhöhen.
Auf welche Preise müssen sich Kunden jetzt einstellen? Eine erste Gaspreiserhöhung haben die meisten Kunden laut Sieverding schon 6,77 6,63 6,52 6,26 5,89 5,73 5,81 6,17 5,97 7,06 15,29 bekommen. Bei vielen kündigen Anbieter nun die zweite an. Bestandskunden zahlen statt fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde Erdgas nun im Schnitt mindestens neun bis 14 Cent. Da ist die zwischenzeitliche Mehrwertsteuerabsenkung von 19 auf sieben Prozent schon eingerechnet. Hat der Anbieter alles korrekt angekündigt, alten und neuen Preis angegeben, kann man rechtlich nicht dagegen vorgehen. „Und sparen kann man beim Anbieterwechsel leider auch nicht“, sagt Sieverding. Denn dann lande man in teuren Neukundentarifen.
Warum müssen Neukunden so viel zahlen? Viele Energieversorger wollen gerade keine neuen Kunden aufnehmen. Sie haben ihr Gas noch vor dem russischen Angriffskrieg günstig eingekauft und wollen es an ihre Bestandskunden für einen festgelegten Tarif verkaufen. Für neue Kunden müssten sie beispielsweise neues, teures Gas einkaufen. Deshalb setzen sie die Preise für Neukunden sehr hoch an. „Aus Sicht der Versorger ist das verständlich, aus Sicht der Kunden aber nicht“, sagt Sieverding. Manche Discounter wollten ihre Kunden auch loswerden und erhöhten deshalb drastisch die Preise. In diesem Fall könnten Kunden von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, so Sieverding.
Was können Kunden tun, wenn sie ihren Anbieter wechseln, aber nicht in teure Neukundentarife rutschen wollen? Der Energieexperte empfiehlt, sich in die Grundversorgung zurückfallen zu lassen. Darauf hätten Gaskunden Anspruch. Grundversorgung bedeutet, dass der Kunde durch das Energieversorgungsunternehmen beliefert wird, das die meisten Kunden vor Ort mit Gas versorgt. Weigert sich diese Unternehmen oder steckt es den Neukunden in die teure Ersatzversorgung, so kann der Widerspruch einlegen und seinen Anspruch auf die Grundversorgung geltend machen. Das geht schriftlich. Die Verbraucherzentrale NRW wird voraussichtlich in den kommenden Wochen einen Musterbrief dazu veröffentlichen, da sich die diesbezüglichen Anfragen häufen.
Was kann ich tun, wenn ich die Abschläge nicht bezahlen kann? Der Experte verweist hier auf die drei Entlastungspakete der Bundesregierung sowie die geplante Gaspreisbremse. „Auch wenn es berechtigte Kritik gibt, dürfte das den Verbrauchern erst einmal ganz gut helfen“, sagt Sieverding. Vor allem die angekündigte Ausweitung des Wohngeldbezuges werde viel ausmachen. Geringverdiener, die kein Arbeitslosengeld II bezögen, könnten sich im Jobcenter melden und das Arbeitslosengeld II beantragen. „Entweder dauerhaft als Aufstocker oder für den Monat, in dem die Energierechnung oder Nachzahlung kommt“, so der Experte.
Welche Ansprechpartner gibt es im Notfall? Die Verbraucherzentrale NRW ist bei allen Fragen rund ums Thema Gaspreise ein guter Ansprechpartner. Auch wer Zahlungsschwierigkeiten hat oder verschuldet ist, findet hier Angebote. „Die gibt es aber auch in jeder Kommune“, sagt Sieverding. Sozialbehörden, Wohlfahrtsverbände, Schuldnerund Insolvenzberatungen beraten Verbraucher, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Der erste Weg sollte aber laut Sieverding immer zum Energieversorger gehen. Mit ihm können die Kunden noch einmal die Abschläge überprüfen und bei Zahlungsschwierigkeiten Absprachen treffen, zum Beispiel in Form von Ratenzahlungen. „Die Anbieter sind in solchen Fällen meistens gesprächsbereit – gerade, wenn Verbraucher sich zum ersten Mal an sie wenden“, sagt Sieverding. Für sie sei die Sperrung das letzte Mittel, das viel Aufwand bedeute.