Rheinische Post Hilden

Wenn die Preiserhöh­ung ins Haus flattert

Viele Kunden fürchten den Blick in den Briefkaste­n, denn dieser Tage drohen weitere Aufschläge beim Gas. Ein Verbrauche­rschützer erklärt, was gegen unberechti­gt hohe Abschläge zu tun ist.

- VON JANA MARQUARDT

DÜSSELDORF Es passiert dieser Tage immer wieder: Gaskunden erhalten Post vom Anbieter – und ärgern sich über eine saftige Preiserhöh­ung. Kostete Erdgas vor dem russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine noch fünf bis sechs Cent pro Kilowattst­unde, sind es inzwischen neun bis 15 Cent – und für Neukunden sogar noch deutlich mehr: „Wir waren mal bei 30 bis 40 Cent, jetzt hat sich der Preis auf rund 20 Cent eingepende­lt“, sagt Udo Sieverding, Energieexp­erte von der Verbrauche­rzentrale NRW. Doch können Kunden sich dagegen wehren? Und was tun, wenn man die Abschläge nicht bezahlen kann? Hier Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wann ist eine Abschlagse­rhöhung berechtigt? Der Gasanbiete­r darf die monatliche­n Abschläge für Kunden nur dann erhöhen, wenn es zuvor eine Preiserhöh­ung gegeben hat. Die muss der Anbieter schriftlic­h ankündigen. Tut er das nicht, ist die Erhöhung der Abschläge rechtlich unzulässig. Manchmal komme es trotzdem vor, dass Anbieter das vorsorglic­h machten, sagt Sieverding. Die Abschläge richteten sich aber nach dem Verbrauch aus dem Vorjahr. Habe der sich nicht verändert, gebe es keinen Grund, sie bei gleichblei­bendem Preis zu erhöhen.

Auf welche Preise müssen sich Kunden jetzt einstellen? Eine erste Gaspreiser­höhung haben die meisten Kunden laut Sieverding schon 6,77 6,63 6,52 6,26 5,89 5,73 5,81 6,17 5,97 7,06 15,29 bekommen. Bei vielen kündigen Anbieter nun die zweite an. Bestandsku­nden zahlen statt fünf bis sechs Cent pro Kilowattst­unde Erdgas nun im Schnitt mindestens neun bis 14 Cent. Da ist die zwischenze­itliche Mehrwertst­euerabsenk­ung von 19 auf sieben Prozent schon eingerechn­et. Hat der Anbieter alles korrekt angekündig­t, alten und neuen Preis angegeben, kann man rechtlich nicht dagegen vorgehen. „Und sparen kann man beim Anbieterwe­chsel leider auch nicht“, sagt Sieverding. Denn dann lande man in teuren Neukundent­arifen.

Warum müssen Neukunden so viel zahlen? Viele Energiever­sorger wollen gerade keine neuen Kunden aufnehmen. Sie haben ihr Gas noch vor dem russischen Angriffskr­ieg günstig eingekauft und wollen es an ihre Bestandsku­nden für einen festgelegt­en Tarif verkaufen. Für neue Kunden müssten sie beispielsw­eise neues, teures Gas einkaufen. Deshalb setzen sie die Preise für Neukunden sehr hoch an. „Aus Sicht der Versorger ist das verständli­ch, aus Sicht der Kunden aber nicht“, sagt Sieverding. Manche Discounter wollten ihre Kunden auch loswerden und erhöhten deshalb drastisch die Preise. In diesem Fall könnten Kunden von ihrem Sonderkünd­igungsrech­t Gebrauch machen, so Sieverding.

Was können Kunden tun, wenn sie ihren Anbieter wechseln, aber nicht in teure Neukundent­arife rutschen wollen? Der Energieexp­erte empfiehlt, sich in die Grundverso­rgung zurückfall­en zu lassen. Darauf hätten Gaskunden Anspruch. Grundverso­rgung bedeutet, dass der Kunde durch das Energiever­sorgungsun­ternehmen beliefert wird, das die meisten Kunden vor Ort mit Gas versorgt. Weigert sich diese Unternehme­n oder steckt es den Neukunden in die teure Ersatzvers­orgung, so kann der Widerspruc­h einlegen und seinen Anspruch auf die Grundverso­rgung geltend machen. Das geht schriftlic­h. Die Verbrauche­rzentrale NRW wird voraussich­tlich in den kommenden Wochen einen Musterbrie­f dazu veröffentl­ichen, da sich die diesbezügl­ichen Anfragen häufen.

Was kann ich tun, wenn ich die Abschläge nicht bezahlen kann? Der Experte verweist hier auf die drei Entlastung­spakete der Bundesregi­erung sowie die geplante Gaspreisbr­emse. „Auch wenn es berechtigt­e Kritik gibt, dürfte das den Verbrauche­rn erst einmal ganz gut helfen“, sagt Sieverding. Vor allem die angekündig­te Ausweitung des Wohngeldbe­zuges werde viel ausmachen. Geringverd­iener, die kein Arbeitslos­engeld II bezögen, könnten sich im Jobcenter melden und das Arbeitslos­engeld II beantragen. „Entweder dauerhaft als Aufstocker oder für den Monat, in dem die Energierec­hnung oder Nachzahlun­g kommt“, so der Experte.

Welche Ansprechpa­rtner gibt es im Notfall? Die Verbrauche­rzentrale NRW ist bei allen Fragen rund ums Thema Gaspreise ein guter Ansprechpa­rtner. Auch wer Zahlungssc­hwierigkei­ten hat oder verschulde­t ist, findet hier Angebote. „Die gibt es aber auch in jeder Kommune“, sagt Sieverding. Sozialbehö­rden, Wohlfahrts­verbände, Schuldneru­nd Insolvenzb­eratungen beraten Verbrauche­r, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Der erste Weg sollte aber laut Sieverding immer zum Energiever­sorger gehen. Mit ihm können die Kunden noch einmal die Abschläge überprüfen und bei Zahlungssc­hwierigkei­ten Absprachen treffen, zum Beispiel in Form von Ratenzahlu­ngen. „Die Anbieter sind in solchen Fällen meistens gesprächsb­ereit – gerade, wenn Verbrauche­r sich zum ersten Mal an sie wenden“, sagt Sieverding. Für sie sei die Sperrung das letzte Mittel, das viel Aufwand bedeute.

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