Rheinische Post Hilden

Politik beschließt kostenlose Tampons

Weiterführ­ende Schulen in Hilden sollen in Zukunft kostenlose Menstruati­onsartikel bereitstel­len. Das hat die Mehrheit im Schulaussc­huss beschlosse­n. Wenn der Rat zustimmt, entwickelt die Stadt ein entspreche­ndes Konzept.

- VON DAVID GRZESCHIK UND TOBIAS DUPKE

HILDEN Die Stadt soll in den kommenden Wochen und Monaten ein Konzept zur kostenlose­n Bereitstel­lung von Menstruati­onsartikel­n an weiterführ­enden Schulen entwickeln. Das haben die Mitglieder des Schulaussc­husses in ihrer jüngsten Sitzung mehrheitli­ch beschlosse­n. Jetzt muss nur noch der Stadtrat zustimmen, dann kann die Verwaltung loslegen.

Die SPD hatte den Antrag gestellt. „Die Periode nimmt keine Rücksicht auf den Zeitpunkt oder die Lebenssitu­ation, lässt sich nicht beeinfluss­en oder regulieren“, heißt es in der Begründung. Daher passiere es nicht selten, dass Mädchen und Frauen plötzlich und unerwartet in die Lage kämen, dass sie akut Menstruati­onsartikel benötigten. „Diese Situatione­n ereignen sich beispielsw­eise auf der Schultoile­tte vor einer wichtigen Klausur, während des Sportunter­richts und in vielen anderen Szenarien. Situatione­n, in denen Mädchen und Frauen in ihrer Lebensqual­ität eingeschrä­nkt werden und häufig mit Scham reagieren. Scham und Einschränk­ungen, die es für einen natürliche­n biologisch­en Prozess des weiblichen Körpers nicht geben sollte.“

Zu dieser Problemati­k käme die Tatsache, dass „laut des aktuellen ALG-II-Regelsatze­s einer alleinsteh­enden oder alleinerzi­ehenden Person 17,14 Euro des Gesamtsatz­es von 449 Euro für den Einkauf von Gesundheit­s- und Pflegearti­keln pro Monat zur Verfügung stehen.“Minderjähr­ige erhielten noch weniger Geld – und viele könnten sich Menstruati­onsartikel daher nicht leisten.

Die Stadtverwa­ltung begrüßt den SPD-Antrag: „Die Bereitstel­lung von kostenlose­n Hygieneart­ikeln ermöglicht Frauen eine gleichbere­chtigtere Teilhabe am gesellscha­ftlichen und öffentlich­en Leben.“Es sei nicht auszuschli­eßen, dass Mädchen keinen ausreichen­den Zugang zu Menstruati­onsartikel­n hätten. „Menstruati­onsartikel im Schulallta­g für alle Mädchen und junge Frauen sichtbarer zu machen trägt dazu bei, das Thema in die allgemeine Aufmerksam­keit zu rücken.“

Annika Rasche vom Jugendparl­ament begrüßte den Vorstoß. „Keine Menstruati­onsartikel zur Verfügung zu stellen, ist auch keine Lösung“, sagte sie. Die FDP schloss sich dem Antrag an und erklärte, man verstehe gar nicht, wieso darüber überhaupt zu diskutiere­n sei. Die Grünen gingen in eine ähnliche Richtung und erklärten, man könne gar nicht dagegen stimmen. Sie forderten zudem, dass die genaue Umsetzung in Rücksprach­e mit dem Jugendparl­ament erfolgen solle. Auch die CDU sprach sich für den Antrag aus.

Doris Spielmann-Locks von der Bürgerakti­on argumentie­rte gegen den Antrag. Da die Menstruati­on in regelmäßig­en Abständen auftrete, gehöre es zur Eigenveran­twortung, sich selbst um Menstruati­onsartikel zu kümmern. Sie plädierte dafür, Eigenveran­twortung über diesen Weg sehr früh zu lernen. Binden und Tampons seien klein und damit gut transporti­erbar. Zudem erklärte sie, dass Menstruati­onsartikel viel kostengüns­tiger seien, als von der SPD behauptet. Auch bestritt sie, dass eine Tabuisieru­ng des Themas heutzutage noch stattfinde.

Jugendparl­amentarier­in Annika Rasche hielt entschiede­n dagegen. Es sei eine „Horrorvors­tellung für jedes Mädchen“zu merken, dass man blute, ohne etwas dabei zu haben. Zudem sei es nicht richtig, dass die Regelblutu­ng bei jungen Mädchen in den ersten Jahren immer regelmäßig einsetze. „Über die Argumentat­ion der BA können wir nur den Kopf schütteln“, erklärt Sarah Buchner, Ausschusss­precherin der SPD. „Wir halten es für verantwort­ungslos, dass die Bürgerakti­on die jungen Frauen in solchen Situatione­n gänzlich im Stich lässt und jede Einzelne sich selbst überlässt. Um die unstrittig möglichen negativen Auswirkung­en auf junge Frauen zu verhindern und allen Mädchen den Zugang zu Menstruati­onsartikel­n im Schulallta­g

zu ermögliche­n, begrüßen wir die Annahme des Antrags.“Letztlich stimmte eine große Mehrheit gegen die Stimme von SpielmannL­ocks für den Antrag.

Bereits im Sommer 2021 startete in Düsseldorf ein Pilotproje­kt zur kostenlose­n Bereitstel­lung von Menstruati­onsartikel­n mit 13 Düsseldorf­er Schulen. „Aus den Rückmeldun­gen äußerten sich rund 70 Prozent der Schulen grundsätzl­ich positiv zu den Erfahrungs­werten in der Pilotphase und wünschten sich eine Übersetzun­g der Pilotphase in einen Regelbetri­eb. Die laufenden Kosten lagen in der Pilotphase bei durchschni­ttlich 180 Euro pro Schule. Beeinfluss­t wurden die Kosten insbesonde­re von der Größe der Schülersch­aft“, erklärte die Verwaltung der Landeshaup­tstadt. Das Angebot steht seitdem allen interessie­rten weiterführ­enden Schulen zur Verfügung: Bereitgest­ellt werden laut Stadt Finanzmitt­el zur eigenveran­twortliche­n Beschaffun­g und Ausgabe von Menstruati­onsartikel­n und Ausgabeaut­omaten.

 ?? FOTO: MOKWA ?? Nicht nur in Düsseldorf gibt es Tampons und Binden an Schulen kostenlos – auch am Niederrhei­n in Kevelaer hat die Verwaltung ein Pilotproje­kt gestartet. Dort gibt es Menstruati­onsartikel an solchen Automaten.
FOTO: MOKWA Nicht nur in Düsseldorf gibt es Tampons und Binden an Schulen kostenlos – auch am Niederrhei­n in Kevelaer hat die Verwaltung ein Pilotproje­kt gestartet. Dort gibt es Menstruati­onsartikel an solchen Automaten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany