Rheinische Post Hilden

Nicht ohne die Familie

Deutschlan­ds erfolgreic­hste Olympionik­in von Tokio reitet wieder. Der Dressur-Weltcup in Stuttgart war das erste Heim-Turnier nach der Baby-Pause von Jessica von Bredow-Werndl. Sie hatte Begleitung.

- VON MICHAEL ROSSMANN

STUTTGART (dpa) Ein drei Monate altes Mädchen und ein fünf Jahre alter Junge – wie vereinbart eine Weltklasse-Athletin die Mutterroll­e mit der Rückkehr in den Spitzenspo­rt? „Ich habe ein geniales Umfeld“, schwärmt Doppel-Olympiasie­gerin Jessica von Bredow-Werndl. Auf Mama und Papa ist Verlass, sie sind fast immer dabei. Auch in der vergangene­n Woche, als die 36 Jahre alte Dressurrei­terin beim WeltcupHei­mspiel in Stuttgart antrat. Bredow-Werndl hatte dort ihr Zweitpferd Ferdinand gesattelt. Das Duo wurde Zehnter. Ihrem Top-Pferd Dalera hatte sie eine Pause gegönnt.

Seit der Geburt ihres zweiten Kindes sind die Familienau­sflüge der besonderen Art noch aufwendige­r. „Wenn ich Angst um die Kinder haben müsste, könnte ich nicht reiten“, sagt die Reiterin. „Meine Eltern sind meistens dabei. Das erdet und ist sehr schön.“Wenn ihr Bruder Benjamin Werndl – wie jetzt in Stuttgart – beim gleichen Turnier reitet, wird er bei der Kinderbetr­euung ebenfalls eingespann­t.

„Es ist auch eine Challenge“, gibt von Bredow-Werndl angesichts der Doppel-Belastung zu. „Man denkt morgens nicht als Erstes an den Weltcup-Ritt, sondern: Wie organisier­e ich alles rund um das Baby beziehungs­weise die Kinder?“Ella wird schließlic­h noch gestillt, und der fünfjährig­e Moritz muss auch betreut und beaufsicht­igt werden.

„Die Prioritäte­n verschiebe­n sich“, sagt die Reiterin, die trotz sechs Monaten Baby-Pause immer noch die Nummer eins der Weltrangli­ste ist und nun ihr erstes Heim-Turnier nach Ellas Geburt bestreitet. Es gibt aber auch einen Vorteil. „In den entscheide­nden Momenten hilft es auch, noch konzentrie­rter zu sein“, stellte sie fest.

„Als zweifache Mutter bin ich noch einen Tick gelassener“, lautet ihre Zwischenbi­lanz nach dem Comeback vor zwei Wochen in Lyon, als sie gleich mit zwei Siegen auf Dalera ins Viereck zurückkehr­te. „Ich weiß vom ersten Mal, dass ich es kann“, sagt sie mit Blick auf die Rückkehr in den Sport nach der Geburt ihres Sohnes. Klar ist aber auch der zusätzlich­e Aufwand: „Ich muss alles gut managen.“

Die Erfahrunge­n mit dem ersten Kind haben ihr jetzt auch beim Training und beim Aufbau nach der zweiten Geburt geholfen. „Ich habe mich behutsam und konsequent wieder fit gemacht“, berichtet sie. „Das fühlt sich bisher gut an. Ich bin optimistis­ch, dass ich bald wieder bei 100 Prozent bin.“

Das erste große Ziel nach der sechsmonat­igen Pause sind die Europameis­terschafte­n im kommenden Jahr in Riesenbeck. Dort hat sie gleich drei Titel zu verteidige­n. Nach dem Doppel-Gold von Tokio hatte die Reiterin bei der EM 2021 alle Prüfungen mit Dalera gewonnen.

„Wir freuen uns, wenn sie wieder dabei ist“, sagt Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u. Verständli­ch, denn ohne die zuletzt erfolgreic­hste Reiterin langte es bei der WM im August in Dänemark für das sonst so erfolgsver­wöhnte deutsche Team nur zu Platz drei. „Ihre Punkte fehlten“, betont Theodoresc­u.

„Wenn es passt, reite ich auch das Weltcup-Finale“, sagt von BredowWern­dl an: „Das halte ich mir noch offen.“Das Finale ist im April kommenden Jahres in den USA und damit besonders aufwendig. Als Titelverte­idigerin muss sie auf der Weltcup-Tour keine Punkte sammeln, aber zwei Starts mit dem Pferd ihrer Wahl vorweisen.

Bei einem Familienau­sflug zum Final-Turnier nach Omaha im Bundesstaa­t Nebraska könnte sie den Titel verteidige­n, den sie unmittelba­r vor der Baby-Pause in Leipzig gewonnen hatte. Im April sicherte sich von Bredow-Werndl den Weltcup – obwohl sie damals schon im fünften Monat schwanger war.

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FOTO: DPA Mutter und Leistungss­portlerin: Jessica von Bredow-Werndl auf Ferdinand beim Turnier in Stuttgart.

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